: Was bedeutet denn Wachstum?
■ betr.: „Vive les Philanthropes“ von Christoph Nick, taz vom 22. 6. 99
Unerschöpfliche Sonnenenergie: Die Sprüche zur „unerschöpflichen Sonnenenergie“ kenne ich noch aus meiner frühen Schulzeit vor über 20 Jahren. Und? In welchem Umfang ist die Bedeutung regenerativer Energieträger seitdem gestiegen? Und was kann man daraus für die Zukunft schließen? [...] Die Beschwörungen der Technikgläubigkeit sollten spätestens seit dem Untergang der Titanic etwas vorsichtiger ausfallen. Aber zur Zementierung und Begründung des antiquierten Denkens taugt diese Technikgläubigkeit allemal.
Zur „Globalisierung“: J.v.Uexküll „verteufelt die Globalisierung“, obwohl doch die „marktoffensten Länder der Erde zugleich ihre stabilsten Demokratien sind“, meint Herr Nick. Könnte die Marktoffenheit vielleicht auch daran liegen, daß die „stabilsten Demokratien“ das meiste Geld haben? Und wer das meiste Geld hat, der profitiert nun einmal am meisten von einem offenen Markt. Und genau darum haben die reichen Länder ein Interesse an offenen Märkten. Ob den armen Ländern also wirlich mit den offenen Märkten nach heutiger Strickart geholfen ist, darf durchaus bezweifelt werden.
[...] Ohne Wachstum Unfrieden: Herr Nick wagt nicht, sich die brutalen Verteilungskämpfe in einer Welt ohne Wachstumsraten vorzustellen. War denn die Lage der Menschen in der sogenannten Dritten Welt vor 20 Jahren (und entsprechend geringerer Wirtschaftskraft) schlechter, als sie es heute ist?
Um die Diskussion zum Sinn des Wachstums nicht ausufern zu lassen, möchte ich mich auf Deutschland beschränken. Kann sich Herr Nick ein Deutschland ohne Wirtschaftswachstum vorstellen? Wahrscheinlich nicht, aber was bedeutet denn Wachstum? Für jeden das Drittauto, vier Fernurlaube im Jahr, 200 Quadratmeter Wohnfläche ... und dann?? Ist es dann zulässig, über Nullwachstum nachzudenken, oder sind dann auch brutale Verteilungskämpfe um das Viertauto wahrscheinlich? Falls Herr Nick recht hat, muß doch gerade eine „alternative“ Partei für ein Umdenken werben oder wenigstens zum Nachdenken anregen. Es gibt eben noch etwas anderes als Geld, Geld und Geld. Ist derjenige realitätsfern, der nur auf die Zwänge der Ökonomie verweist, oder der, der auf die gefährliche Einseitigkeit des Wirtschaftlichen hinweist.
Mich würde jedenfalls einmal interessieren, ob der Beitrag von Herrn Nick der Ansicht der Parteispitze der Grünen entspricht. Es wäre schön, falls die taz in dieser Sache etwas mehr berichten würde bzw. eine Debatte zu diesem Thema eröffnen würde. Jens Niestroj, Rotenburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen