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In Osten über Oste schweben

Ein Technik-Denkmal wurde zum Touristenmagnet: Die weltweit einzige selbstfahrende Schwebefähre wird 90 Jahre alt  ■ Von Jörn Freyenhagen

Paris hat seinen Eiffelturm – Osten besitzt eine Art Miniaturausgabe davon: Der kleine Ort bei Stade verdankt sein Wahrzeichen, die Schwebefähre über die Oste, indirekt dem französischen Ingenieur Alexandre Gustave Eiffel. Dessen Schüler Louis Pinette schuf im Jahre 1909 dieses Wunderwerk der Technik. Heute wird die Fähre kaum noch gebraucht, weil es längst eine Brücke gibt, die den Elbnebenfluß überquert.

Da es aber immer noch Spaß macht, über das Wasser der Oste zu schweben, ist die Fähre in den Sommermonaten als Touristenattraktion in Betrieb. Mit ihrer speziellen Konstruktion als Selbstfahrer gilt die Ostenauer Schwebefähre weltweit als einmalig, andere Fähren dieser Art hängen an Seilen.

Sieben Menschen kamen seinerzeit bei den Bauarbeiten in Osten ums Leben, Konstrukteur Pinette wäre von der Dorfbevölkerung fast gelyncht worden. Heute sind die Bürger von Osten stolz darauf, daß die Fähre neun Jahrzehnte nach ihrer Indienststellung immer noch funktioniert. „Sie ist technisch topfit und jetzt fast noch in einem besseren Zustand als in ihrer aktiven Fahrenszeit“, sagt Gastwirt Horst Ahlf, Vorsitzender des Fördervereins.

Bis Anfang dieses Jahrhunderts hatte eine von Hand betriebene Prahmfähre die Verbindung von Osten ans andere Flußufer nach Basbeck hergestellt. Weil der Verkehr über die Oste immer mehr zunahm, wollte die Gemeinde zunächst eine Drehbrücke bauen. Doch der starke Schiffsverkehr machte den Plan zunichte. Es mußte eine Flußquerung her, die weder Segler noch Dampfer behinderte. Die Wahl fiel auf die Schwebefähre. Sie konnte den Fluß in der Luft schnell passieren und dabei noch genügend Fahrzeuge und Menschen mitnehmen.

Die Stahlkonstruktion für die elektrisch betriebene Fähre ist 80 Meter breit und mehr als 30 Meter hoch. „Wir nutzen heute immer noch den ersten Siemens-Motor aus dem Jahre 1909“, berichtet Ahlf, der auch den Job des Fährmanns ausübt. Die Gondel hängt als starrer Fahrkörper an einem auf Schienen laufenden Wagen und zieht sich mit Hilfe von vier Kranzrädern auf die andere Flußseite. Drei Minuten und 40 Sekunden dauert eine Überfahrt. Dank einer Tragfähigkeit von sechs Tonnen finden in der Gondel etwa sechs Autos oder 100 Menschen Platz. Die Fähre verkehrt bei jedem Wetter, nur extremes Hochwasser zwingt zur Pause. Insgesamt legte sie im 65 Jahre dauernden Pendelverkehr eine Strecke zurück, die dem dreifachen Erdumfang entspricht – „und zwar unfallfrei“, wie Ahlf betont.

1974 wurde eine Autobrücke über die Oste gebaut, und viele sahen das Ende der Schwebefähre gekommen. Doch der Förderverein bewahrte sie vor dem Abriß. Sie wurde zum technischen Baudenkmal erklärt und Teil eines neuen Fährmuseums. Heute können Besucher in Osten vier Generationen von Flußquerungen über die Oste bestaunen: Einen Fährkahn aus dem 14. Jahrhundert, einen 1909 stillgelegten Fährprahm, die Schwebefähre und die neue Brücke. Auch für diese Saison hat der TÜV wieder „grünes Licht“ gegeben. So können Ausflügler täglich von 11.00 bis 17.00 Uhr jeweils zur vollen Stunde mit dem nostalgischen Transportmittel über die Oste schweben. Ein Ticket, das in der Gründerzeit noch für fünf Pfennige zu haben war, kostet heute zwei Mark.

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