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Kultur der Tiere

Von pubertär bis professionell tobt die Jahresausstellung der Kunsthochschule  ■ Von Hajo Schiff

Wie ist Vielfalt darzustellen, wenn einmal im Jahr die Hamburger Hochschule für bildende Kunst ihre Klassen öffnet? Über siebzig junge HfbK-KünstlerInnen und Gruppen stellen aus, dazu Pädagogen, Architekten, Designer und der Fachbereich Visuelle Kommunikation. Mit einem erstmals verliehenen Publikumspreis und zahlreichen Aktionen wirbt die Jahresschau mehr denn je um den externen Besucher; und ist aber doch vor allem eine vergnügliche Selbstfeier.

Überraschend: In der alten Aula züchtet das interdisziplinäre Projekt Mikrokulturen Kunstwerke aus bunten Schimmelpilzen und schenkt dazu gärenden Kombucha-Trank aus. Mit dem 3.000-Mark-Preis der Ditze-Stiftung belohnte das Publikum diesen Natureifer. Mit dem kann der durch seine Materialansammlungsmanie bereits zum Jungstar der Kunstszene gemachte Jonathan Meese nicht mithalten. Er zeigt, anders als in New York, reduzierte schwarze Wandmalerei und postuliert, kaum erklärlich, einen Zusammenhang von Pharao Echnaton und der Wagnerschen Gralsvision.

Da überzeugen das gestrickte Modell eines Frankfurter Bankhochhauses von Anette Streyl oder die aus peruanischen Geldscheinen bestehenden, fein ziselierten Scherenschnitte von Karen Michelsen Castanon schon eher. Und Sabine Emmerich bestätigt mit ihrer lebensgroßen Elefantenkuh aus Maschendraht, daß die Klasse von Franz Erhard Walther noch immer gut ist für große Gesten.

Für vertrackte und gegen den Strich genutzte Techniken ist dagegen Professor Claus Böhmler zuständig. Die Hälfte seiner Klasse besetzt Sonja Vordermaier mit einer wuchernden und tropfenden Installation, mit in Nylons gefangenen Wasserblasen. Klassischer arbeiten die Studenten von Vizepräsident Büttner: Sie warten mit so viel zarten, auf den Raum bezogenen Zeichnungen auf, daß mittendrin ein rotes Pappmachée-Monster auf einem Schild ironische Beschwerde führt: „Allein unter Bleistiften“, klagt es. Da sucht man gern und wie zum Trost die „oben-ohne-Bar“ der Gruppe Atombusen im Hof auf. Doch ob Medienkunst oder Trash, zarte Zahnstocherbasteleien oder Kabinette mit Wortspielen, ob in Neo-Pop-Manier in die dritte Dimension gezogene oder digital bearbeitete Fotos: Einzig sicher ist bei einer solchen Ausstellung, daß es keinen allgemein verbindlichen Trend gibt, daß alles erlaubt ist – aber daß manches den Älteren doch schon recht bekannt vorkommt.

Am merwürdigsten vielleicht noch die neuen Arbeiten der „Wolfsfrau“ Corinna Korth, die beim Publikumsvotum den zweiten Platz errang. Ihre seit Jahren wissenschaftlich und in theatralischer Anwandlung betriebene Auseinandersetzung mit dem so übel beleumdeten Rudeltier hat sie jetzt – nach zahlreichen Fotoserien – zu einem Produkt geführt, das man seit Jahrzehnten nicht mehr im Haus, wo es angestammt ist, sieht: Glasfenster mit Märchendarstellungen vom bösen Wolf.

Rotkäppchen wird sich indes sicher auf einer der Veranstaltungen tummeln.

HfbK, Lerchenfeld, alle Klassen geöffnet, nur bis So, 14-20 Uhr; Sa-Programm ab 15 Uhr: Alstercup mit Schwimmfahrzeugen im Eigendesign; ab 20 Uhr: Fest drinnen und draußen; ab 22 Uhr: lange Filmnacht in der Aula

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