: Fett: Hunger!
■ Kinder-Benetton: Neuer Laden, neue Marken
Was war noch mal „Marketing“? Ach ja: Wenn die Filiale einer Klamottenladenkette eröffnet wird, welche eine Pressesprecherin namens Paola Gräfin Balbo di Vinadio hat, welche jubelt: „Eröffnung von Deutschlands erstem Benetton Kinder-Megastore!“ Sobald sich die heiße Luft verzogen hat, bleibt ein Laden am oder im Schüsselkorb gegenüber der Stadtbibliothek übrig, der die Topmodemarke Corredino für frisch Abgenabelte anbietet. Aber auch gebatikte Hippieröhren für 5jährige Marken-Mädchen. Und für den kleinen Stammhalter eine Marken-Cordhose mit Schlaufe. In die Schlaufe kann der Stammhalter seinen Hammer hängen, was früher ein Zimmermannsprivileg war. Und schwangere Frauen können hier ein Marken-Bekenner-T-Shirt kaufen, darauf steht: There's a little heart beating next to mine! Auf Deutsch: Mein Kind ist zwar noch nicht geboren, wird aber auf jeden Fall Corredino-Pampers vollscheißen.
Seltsamerweise fehlt in dem neuen Laden völlig die neue Mega-Trend-Marke Hunger. Hunger („Calcutta, Addis Abeba, Harare, Khartoum“) ist derzeit superangesagt und ganz zweifellos eine geschützte Trademark des Hauses Benetton. Hunger ist cool, fett und sogar krass, und wer heute nicht Hunger hat, ist draußen. Für Hunger werben zur Zeit die Halthäuschen der Bremer Straßenbahn AG. Zu sehen ist ein typisches Benetton-Hunger-Mädel, schwarz natürlich, der Hungerbauch unter einer Marken-Jugendherbergs-Decke versteckt. Die rissigen Hunger-Lippen sind dick übergeschminkt. Die notorischen Fliegen hat der Fotograf seinem Modell vor dem Shooting aus den Augenwinkeln gescheucht.
Der Fotograf heißt Michel Comte for World Vision. Er gibt auf dem Plakat sein Spendenkonto an – Hunger ist zwar geil, wie einem in Calcutta, Addis Abeba, Harare und Khartoum jedermann bestätigen wird. Aber der Mensch lebt nicht vom Hunger allein. BuS
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