Kanzler redet Tacheles, nur in deutsch

■ Da bleibt einem glatt die Spucke weg. Bonn boykottiert EU

Bonn/Frankfurt (AP/dpa/AFP/rtr) – Deutschland boykottiert das heutige informelle Treffen der EU-Industrieminister in Finnland. Die finnische EU-Präsidentschaft habe dem deutschen Wunsch nicht entsprochen, die deutsche Sprache als Arbeitssprache bei dem Treffen zuzulassen, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums gestern in Bonn zur Begründung. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte zuvor in einem Brief an die finnische Regierung gefordert, Deutsch als Arbeitssprache zuzulassen. Andernfalls werde Deutschland die informellen Treffen der finnischen EU-Ratspräsidentschaft boykottieren.

Die finnische EU-Präsidentschaft hat den Disput mit Deutschland bestätigt. „Wir sind uns der deutschen Beschwerden zu diesem Thema bewußt“, sagte ein Regierungssprecher in Helsinki. Er bestätigte, daß der finnische Ministerpräsident Lipponen ein Schreiben von Bundeskanzler Schröder (SPD) erhielt, in dem dieser mit einem Boykott informeller EU-Ratstreffen gedroht habe, wenn die finnische Präsidentschaft wie geplant nur Englisch, Französisch und Finnisch als Arbeitssprachen zulasse. Der Sprecher bezeichnete den Sprachenstreit allerdings als „unnötig“.

Das Bundespresseamt bestätigte die Existenz des Briefes, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Vielmehr hieß es, die Bundesregierung – „wie übrigens auch die Vorgängerregierung“ – sei darum bemüht, daß in der EU die deutsche Sprache ihrer Verbreitung gemäß berücksichtigt wird. Es gebe iin der Union mehr Menschen, deren Muttersprache Deutsch sei, als Menschen, deren Muttersprache Englisch oder Französisch sei. In den vergangenen beiden Halbjahren war das Problem nicht aufgetaucht, weil Österreich und Deutschland die Ratspräsidentschaft innehatten und damit Deutsch automatisch Amtssprache bei allen Treffen war.