: Aus der Liebestraum
Friedrich Wetter Graf vom Strahl raucht immerzu, kann ganz toll Luftgitarre spielen und hat eine unbeschreibliche Stimme. Sagt Käthe (Claudia Wiedemer) in der gleichnamigen Inszenierung, einem Studienprojekt der jüngst diplomierten Regisseurin Anja Gronau. Zu erleben war sie im Rahmen des Festivals Die Wüste lebt am Freitag und am Samstag auf der Bühne der Kammerspiele.
Zwischen Textpassagen aus dem Kleistschen Stück, das hier unmißverständlich stattfindet, plaudert Käthe aus ihrem Leben – ganz im Duktus des erfrischend naiven, total verliebten, heutigen Teenagers.
Die strukturelle Aufteilung zwischen Text und Kommentar wird über die Sprache vermittelt, und die Doppelung der Erzählebenen funktioniert: Merkwürdig distanziert und retrospektiv, doch zugleich sehr emotional schildert Käthe ihre Geschichte und macht deutlich, daß Heinrich von Kleists Ringen um die Darstellung von Liebe im Käthchen von Heilbronn mit all ihrer Unlogik, Wahnhaftigkeit und schwankenden Gefühlsbädern bis heute nichts eingebüßt hat.
Im Look der späten 90er – Kleidchen über der Hose, schräg gehängte Tasche – steht das Käthchen ganz allein auf der Bühne, alle anderen Parts gleich mitspielend. Bis auf die Widersacherin: „Also, ich kann Kunigunde nicht spielen.“
Claudia Wiedemer gibt das kraft- und eindrucksvoll, auch wenn man ahnt, daß sie sich als Girlie selbst inszeniert. Doch sie macht schauspielerisches Potential in anderen Rollen deutlich. So als Friedrichs Diener, den sie als stereotypen Macho gibt.
Ihre Käthe verführt zum Mitlachen und Mitleiden, vor allem am Ende, wenn sie traurig dasteht und weint, während ein Popsong aus dem Recorder tönt, das Ende der Träume einfordernd. Deutlicher kann man es nicht sagen: Aus Käthe und Friedrich ist nichts geworden – und es wird wohl auch kein Happy ending mehr geben.
Schade nur, daß im anschließenden Publikumsgespräch die Regisseurin der Kraft der Aufführung mit banalen Aussagen nicht gerecht werden konnte und damit den Eindruck hinterließ, die bezaubernde Frische der Aufführung sei wohl eher der Schauspielerin zu verdanken.
Karen Schulz
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