piwik no script img

Highways, Verlassensein und Zigaretten

■ Hazeldine verbreiteten im Lagerhaus dezent rockende Wehmut

Amis auf Reisen. Sogar die Bremer Stadtmusikanten muß man ihnen noch erklären. Ob denn die Geschichte auch eine Moral habe, fragt Shawn Barton, Sängerin und Gitarristin von Hazeldine, nach einer kurzen Zusammenfassung und vermutet, die heiße: Spiel nicht in einer Rockband! Dabei ist die eher moralarme Geschichte wohl auch für so eine Moral kaum zuständig.

Amis auf Reisen erzählen den Leuten auch gern, wie toll es ist, in Soundso oder Woauchimmer zu sein. Das taten Hazeldine auch, sagten, daß Bremen eine hübsche Stadt sei – der Fluß mit den Booten, die Straßen mit den Pflastersteinen – merkten, wie albern das ist, und spielten als Rockband lieber noch einen Song.

Amis singen gern vom Reisen. Und auch bei Hazeldine ziehen sich Highways durch die Lieder, stehen Verlassene an der Straße, und bei Zigaretten wird über die Abwesenheit von Glück nachgesonnen. So wenig das aber etwas Neues ist, weil seit Menschengedenken nicht nur bei den Leuten in Nashville Thema, sowenig scheint es aus der Mode zu kommen.

Hazeldine gehen dabei ganz klassisch vor. Keine ironische Brechung, keine musikalischen Experimente. Die Songs von Shawn Barton könnten formal betrachtet auch zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten dreißig Jahren entstanden sein, und auch die musikalische Ausstattung ist die alte Gitarren-Schlagzeug-Bass-Geschichte. Spätestens seit Gram Parsons in den späten Sechzigern die Szene betrat, hat es immer wieder Flirts zwischen Country und Rock gegeben, und Hazeldine stehen musikalisch deutlich in dieser Tradition. Auf der Bühne tendierten Hazeldine eher zum Rock, laut wurden sie allerdings selten.

Das beförderte den Genuß der Stimmen von Shawn Barton und Tonya Fink, die, ab und an auch noch von der Hazeldine-Bassistin unterstützt, berückend mehrstimmig sangen. Damit sind sie den großen Country-Stilisten näher als das meiste, was zur Zeit in den Studios von Nashville produziert wird. Trotzdem oder vielleicht ja gerade deswegen, trug bei ihrem Auftritt im nicht übermäßig vollen Lagerhaus niemand die bei Gelegenheiten wie Truck-Stop-Konzerten häufig zu beobachtenden albernen Hüte oder kitschigbunten Cowboy-Stiefel, am besten noch mit klimpernden Sporen.

Bei solchen Leuten dürften Hazeldine dann aber wahrscheinlich auch nicht das schlimme F-Wort in den Mund nehmen oder ganz umstandslos von Bigamie singen. Da verweisen sie auf eine andere Ahnenreihe, die bei Woody Guthrie beginnt und immer wieder in den Zwiespalt zwischen der Liebe zur Musik des kleinen Mannes und der Angst vor dessen gedanklichen Abgründen geriet. Wie Joan Baez, die auch mal in Nashville eine Platte mit der Creme der dortigen Musiker-Szene aufnahm und später sagte, daß diese Leute sie womöglich bei anderer Gelegenheit gelyncht hätten.

Bevor ich weiter abschweife ... abgesehen von dem frühen Ende wegen anschließender Disco ein ausgesprochen schönes Ding, dieses Hazeldine-Konzert.

Andreas Schnell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen