: „Die, die so gern von Dienstleistung reden, dienen doch wohl meist sich selber“
betr.: „Bündnisgrüner Nachwuchs will der Partei einheizen“, taz vom 28. 6. 99
Danke für die treffende Symbolik Eures Titelbilds: Nichts als heiße Luft, was die selbsternannte zweite Generation der Grünen da produziert. Allein das Worthülsengewäsch:
Wo bitte ist denn bei den gegenwärtigen Grünen an wirklich wichtiger Stelle noch etwas vom Geist der „68er“ zu spüren? Von einem Politikstil, der Menschen nicht auf Geldverdienen und Steuerzahlen reduziert, in dem nicht nur Materielles, Meßbares, Rationales zählt, sondern auch kulturelle Bedürfnisse, Liebe, Trauer, Schmerz, Freude ... haben sich die Grünen schon lange verabschiedet. Mir geht viel mehr der krawattige Opportunismus der Metzgers und Berningers auf den Geist – und das Ärgerliche ist: Sollten sie sich durchsetzen (wonach es aussieht), werden Flüchtlinge, sozial Schwache, Kinder, wir Jugendlichen – kurz: Minderheiten wieder ohne parlamentarische Lobby dastehen. Mit dem „Ballast“, den „wir loswerden müssen“ (Rezzo Schlauch), wird die Grünen auch ein Großteil ihrer WählerInnen verlassen. Versprochen!
Hartmut Burggrabe (21), Sindelfingen
Was die jungen grünen Liberalen einfordern, predigten schon meine Eltern. Erfolg ist alles und wenn es sein muß zu Lasten der Demokratie. Die jungen grünen Liberalen treten in die Fußstapfen der FDP und werden die Grünen so zur Dreiprozentpartei führen. Sie verdienen unsere volle Unterstützung. Jürgen Korell (43), Wiesbaden
Ich bin 21 Jahre alt und seit eineinhalb Jahren aktives Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Ich habe mich für diese Partei entschieden, weil ich annahm (und auch heute noch annehme), daß der große Teil der Mitglieder ein anderes Verständnis von Politik als andere Parteien an den Tag legt, nämlich eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Vorgängen und eine breite Diskussion über eigene Positionen. Auch und besonders wenn man in Regierungsverantwortung steht. Als Sprecher des GAJB Kreis Steinfurt trete ich für das Recht auf eine andere Meinung ein, auch wenn mir diese persönlich nicht gefallen sollte. Diese Ansicht kann je nach Standpunkt als Basisdemokratie, Selbstreflexion oder Illoyalität bezeichnet werden, wobei ich für die ersten beiden Bezeichnungen plädiere.
Erschreckend finde ich daher die Ansicht der „zweiten Generation“, der womöglich ihre Ämter ein wenig zu Kopf gestiegen sind, Mitglieder in „linke Folkloregruppen“ stecken zu wollen, nur weil sie anderer Meinung sind. Dies zeugt von fragwürdigem Verständnis von innerparteilicher Demokratie und stößt einen Großteil der Basis (nicht nur der Gründergeneration) vor den Kopf.
Im übrigen haben wir in Deutschland genügend „Dienstleistungsparteien“, in welchen die „Vielsprachigkeit“ längst durch die Stimme der Funktionärsebene ersetzt wurde, so daß (hoffentlich nicht nur) ich auf eine weitere gut verzichten kann.
Oliver Varelmann, Emsdetten
Von wem haben sich die Grünen denn da unterwandern lassen? Bei solchem Geschreibsel können sie zumindest bei mir, Grünwähler der zweiten Generation, schon mal mit der Auswechslung ihrer Wählerschaft beginnen. Vielleicht finden sie ja einen smarten FDPler, den sie statt dessen für sich begeistern können.
Uwe Ciesla, zur Zeit Grün-PDS-Wechselwähler
Wenn ich, Vorachtundsechziger – insofern juckt mich der Angriff weniger –, mich vor einigen Jahren zur Mitarbeit gerade bei den Grünen entschlossen habe, dann wegen ihrer einzigartigen Kombination aus bürgerschaftlich-demokratischem Engagement, klarer Analyse der Situation, Visionen für die Zukunft und durchaus realistischen Vorstellungen, wie man sich diesen Visionen durch politisches Handeln nähern kann. So erlebe ich jedenfalls die Arbeit vor Ort, so macht sie Spaß und so gewinnen wir Ansehen bei denen, die mit- und weiterdenken. In diesem Sinne kann ich auch den hinteren, konstruktiven Teil des von der taz abgedruckten Papiers durchaus mittragen.
Was davor steht, erschreckt: Da finden sich alle Klischees, die uns eine gemachte (von wem wohl und in wessen Interessen?) sogenannte öffentliche Meinung überstülpt: „vermiesen, erhobener Zeigefinger, vorschreiben, verteufeln“. Das ist das Wörterbuch des heutigen Unmenschen, mit der man jede ernsthafte Bemühung billig desavouiert. Habt Ihr wirklich nicht gemerkt, wen Ihr da nachäfft? Und wenn dann Matthias Berninger von „Dienstleistungspartei“ schwafelt, dann ginge mir der Hut hoch, wenn ich einen trüge: Ich diene gern, aber nicht jedem und jeder Mode! Und die, die so gern von Dienstleistung reden, dienen doch wohl meist sich selber.
Ich führe permanent Gespräche mit jungen Leuten über Visionen und die Mühen praktischer Politik, gerade noch wieder am Telefon. Von diesen engagierten und kritischen Jungen gibt es Gott sei Dank noch genug, mit ihnen und für sie arbeite ich als Senior gern, da diene ich auch – aber ich „dienstleiste“ nicht!
Wolfgang Wiemers, Münster
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