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Was soll daran modern sein?

betr.: „Feuern oder nicht feuern“ (Grüne Landesverbände streiten um Jürgen Trittin), „Wir haben bessere Leute als Trittin“, taz vom 3. 7. 99

Die Älteren unter uns werden sich sicher noch erinnern: Bündnis 90/Die Grünen, aber auch solche Projekte wie beispielsweise die taz hatten ihren Ursprung in der alternativen Politikkultur. „Jetzt wählen wir uns selbst“ hieß einer der Slogans. Wenn wir uns heute das Resultat vor Augen halten, reiben wir uns dieselben erstaunt und fragen: „Sind wir das? Sehen wir so aus, und handeln wir wie Fischer, Schlauch, Vol(l)mer, Metzger, Scheel, Bütikofer? Schreiben und denken wir wie Dettling, Brumlik, Klinger und Konsorten?“ Dann könnten wir uns eigentlich die Kugel geben: Die FDP gibt es schon; die FAZ ist die bessere taz (gäbe es da nicht die Wahrheit-Seite oder den einen oder anderen Artikel von Droste und Küppersbusch). Ja, gut, ich sehe es ein, unsere Position ist hoffnungslos unmodern, antiquiert, antiinnovativ; unser geistiger Dachstuhl muß gründlich entrümpelt werden. Ich will künftig einer Fusion von B'90/Die Grünen mit der FDP das Wort reden (zusammen schaffen wir die Fünfprozenthürde); ich will die verschärfte Umverteilung von unten nach oben (Ökosteuer, Steuerreform) loben (ist ja sooo modern und innovativ); will preisen Deregulierung und Globalisierung, auf daß wir dort ankommen, wo wir schon einmal waren: unermeßlicher Reichtum einerseits, frühkapitalistisches Elend andererseits. Aber was zum Teufel soll daran modern sein? Kann mir das einer erklären? [...] Winfrieda Fuegen

Es ist wenig interessant, daß von grünen Landesverbänden Trittins Rücktritt gefordert wurde; die eigentliche Nachricht ist, über welches Medium dies geschah: „Sprecher [...] forderten in Bild den Rücktritt Trittins wegen Inkompetenz.“

Wer hier offensichtlich inkompetent ist, das sind grüne Politiker, die meinen, sich über die Bild-Zeitung an die Öffentlichkeit wenden zu müssen. Ich hätte nicht geglaubt, daß den Sprechern von grünen Landesverbänden folgende simplen Tatsachen entgangen sein sollten: 1. Die Wähler der Grünen lesen nicht Bild. Wenn daran auch nur andeutungsweise Zweifel bestehen, sollten die Grünen sich sang- und klanglos auflösen, denn schlechte Parteien, die diese Klientel bedienen, gibt es mehr als genug.

2. Ernsthafte politische Diskussionen kann man nicht zwischen Meldungen wie „Britische Forscher entdecken dreizehntes Sternzeichen“ und „Arbeitermangel bei der Müllabfuhr – ist das neue Asylgesetz zu streng?“ führen. Ein sehr klares Indiz für den Verfall der politischen Kultur unter der letzten Regierung war die Art und Weise, wie Kohl und Konsorten sich dem Schmierenblatt angedient haben.

3. Wer Bild anders als mit zusammengebissenen Zähnen als (anscheinend) notwendiges Übel sieht, hat bei den Grünen nichts verloren. Wolfgang Dobler, Newcastle upon Tyne, England

betr.: „Die Westentaschenmachiavellis“, taz vom 1. 7. 99

Endlich klar sehend, könnte man die nun gewonnene Meinung des langjährigen taz-Kommentators nennen. Schließlich trat Brumlik wohl den „langen Marsch zur Talstation einer nachsozialistischen Linken“ mit an, den er 1995 (taz vom 6. 2.) beschrieb. Vor drei Jahren (taz vom 2. 7. 1996) fühlte er sich noch zu den Bündnisgrünen gehörig, während des Kosovo-Krieges hielt er den Machiavellis die Stange. [...] Das jetzt konstatierte „Ende des grünen Projekts“ ist ein echter Lernschritt! Aber: Wo bleibt die Konsequnez, wo der Aufruf, Utopien nicht dem Machtbeteiligungskick zu opfern? Wie wäre es mit einer neuen Basisbewegung? Ist das zuviel verlangt, weil man dazu aus der grünen Partei austreten müßte? Georg Fischer, Schefflenz

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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