: Langes Wochenende bei VW
Volkswagen wollte die Produktion kräftig steigern, doch die Absatzkrise zwingt zu einer Drosselung um 20 Prozent. Die Viertagewoche ist wieder da. ■ Von Beate Willms
Berlin (taz) – An den großen Plänen ändern auch die abflauende Konjunktur in der Autoindustrie und der zu erwartende neue Preisdruck auf den europäischen Märkten nichts – VW-Chef Ferdinand Piäch will den Volkswagen-Konzern weiter vorwärtstreiben. Erst vor einer Woche hatte er erklärt, daß er den schwedischen Lkw-Hersteller Scania kaufen will. Gestern legte er einen Zeitplan für die geplante Zwölfzylinder-Limousine D1 und den etwas kleineren Luxuswagen Passat Plus vor, die Ende 2000 in Produktion gehen sollen. Dazu bemüht er sich um eine intensive Zusammenarbeit mit dem japanischenKonkurrenten Toyota – offenbar erfolgreich. Toyota-Chef Fujio Cho sagte gestern, er untersuche, ob beide Konzerne mehr Autoteile vereinheitlichen könnten.
Alles okay bei VW, sollte man meinen. Wenn Arbeitsdirektor Peter Hartz nicht erst vor zwei Wochen bekanntgegeben hätte, daß der Konzern sich bei den Prognosen für das laufende Jahr doch ein bißchen überschätzt hatte: Statt der erwarteten 12-Prozent-Steigerung gab es nur ein Plus von 8,5 Prozent.
Das ist immerhin so viel weniger, daß Volkswagen nun die Maschinenlaufzeiten und die Produktion um zwanzig Prozent eingeschränkt hat. Seit dieser Woche gibt es keine Sonderschichten mehr und keine Mehrarbeit. Die im vergangenen Jahr angeblich abgeschaffte Viertagewoche ist wieder da: Die Beschäftigten arbeiten von montags bis donnerstags 28,8 Stunden, dann ist Schluß. Auch mit den Überstundenzuschlägen.
Immerhin, das Modell rettet womöglich wie schon bei seiner Einführung 1993/94 Arbeitsplätze. „In einem anderen Unternehmen hätte man womöglich Kurzarbeit anmelden müssen“, sagt Bernd Osterloh vom Gesamtbetriebsrat. Und Leute mit befristeten Verträgen, wie die, für deren Weiterbeschäftigung die VW-Belegschaft im Passat-Werk Emden im Mai zwei Tage gestreikt hatte, hätten sich auf jeden Fall neue Jobs suchen müssen. „Die profitieren jetzt sogar“, so Osterloh. Die Reduzierung der Gesamtarbeitszeit schaffe genug Spielraum, um die befristeten Arbeitsplätze zu erhalten, „zumindest bis zum Jahresende“. Bis dahin, so hoffen Betriebsrat und Management, hat sich die Konjunktur erholt.
Die Bankanalysten sind allerdings nicht so optimistisch, sondern ratlos. Die Reaktionen schwankten zwischen „Das ist doch keine große Nachricht, sie macht den Markt nur nervös“ bis zu Unverständnis über die Einschätzung des VW-Managements über die nachlassende Nachfrage. „Wir wären froh, wenn wir wüßten, was Volkswagen uns eigentlich erzählen will“, sagte Christian Breitsprecher von der Deutschen Bank, die die VW-Aktie kürzlich auf „neutral“ herunterstufte. Wie andere Branchenkenner geht er davon aus, daß sich der Preiskampf auf dem europäischen Automobilmarkt in den nächsten Monaten erheblich verschärft. Vor allem im Kompaktsegment haben die großen Konzerne zuletzt zugelegt. VW konkurriert mit seinem Golf direkt mit dem Ford Focus und dem Opel Astra.
„In Zukunft werden Kostensenkungen schneller und weitgehender an den Markt weitergegeben werden müssen“, so Breitsprecher. Für Gewinne bleibt da nicht mehr viel Raum.
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