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Altenwerder ist wider die Natur

■ Hafenerweiterung verstößt gegen EU-Naturschutzrecht / EG-Kommission prüft / Umweltbehörde bleibt optimistisch Von Heike Haarhoff

Die geplante Hafenerweiterung in Altenwerder verstößt gegen europäisches Recht: Naturschutzrichtlinien werden ebenso grob mißachtet wie das Beihilfeverbot des EWG-Vertrags. Danach ist staatliche Unternehmens-Unterstützung, die zur Wettbewerbsverzerrung führt, unzulässig. Das erklärten gestern Manfred Prügel, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der wirtschaftspolitische Sprecher der GAL, Alexander Porschke. Die Europäische Kommission in Brüssel bitten Nabu und GAL um Überprüfung der Vorwürfe. Bestätigt sie die Rechtswidrigkeit, gerät die Vision vom Container-Terminal in Altenwerder zum Alptraum für die Wirtschaftsbehörde.

Die Waffe, mit der GAL und Nabu einen der letzten Lebensräume der bedrohten Blaukehlchen, Weißstörche, Zwergschwäne, Fischadler und des höchst seltenen Schierlings-Wasserfenchels retten wollen, ist die „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ (FFH), seit 1992 umfassendstes Naturschutzinstrument der Europäischen Union. Sie enthält Schutzvorschriften für Gebiete, in denen besonders seltene Tier- und Pflanzenarten vorkommen, und „gilt nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch dann, wenn diese Gebiete wie im Fall von Altenwerder nicht unter nationalen Schutz gestellt sind“, versicherte Prügel.

Und: „In der Umweltverträglichkeitsstudie zu Altenwerder sind zahlreiche Tier- und Pflanzenarten aufgelistet, die die FFH- und auch die EU-Vogelschutzrichtlinie als prioritäre Art aufführen.“ Deren Lebensraum darf nur ausnahmsweise durch Bauvorhaben beeinträchtigt werden, wenn menschliche Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit gefährdet sind. Andernfalls muß die Kommission ein „überwiegend öffentliches Interesse“ feststellen. Diese Stellungnahme sei aber ebensowenig eingeholt worden wie die FFH-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die Hafenerweiterung sei damit rechtswidrig. Eine Einschätzung, die Michael Günther, Hamburger Anwalt und Vertreter der Altenwerder-KlägerInnen, bereits Anfang Mai bei einem Gespräch mit der taz geteilt hatte.

Im übrigen seien die extrem geringen Miet- und Pachtgebühren, die Hamburg den Unternehmen im Hafen abknöpfe, wettbewerbsverzerrend und damit rechtswidrig: Die Stadt bevorzuge gezielt Firmen mit staatlichen Subventionsmitteln. „Hafeninfrastrukturmaßnahmen wie Flächenaufhöhungen und Liegeplätze fallen nicht unter den Beihilfebegriff“, widersprach der CDU-Europaabgeordnete Georg Jarzembowski.

Auch die Umweltbehörde maß der Argumentation der Naturschützer gestern wenig Aussicht auf Erfolg bei. „Als Schutzgebiete für bedrohte Arten muß jeder Mitgliedstaat gegenüber der EU jeweils die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete des gesamten Staates, also aller Bundesländer in der Zusammenschau, benennen“, hat sich Sprecher Kai Fabig bei den Juristen schlau gemacht. Altenwerder sei aber nur als Feuchtgebiet von lokaler Bedeutung eingestuft worden.

„Es stimmt zwar, daß Altenwerder das wichtigste Hamburger Brutgebiet der sehr seltenen Blaukehlchen ist“, räumte Fabig ein. Aber im benachbarten Regierungsbezirk Weser-Ems seien viel mehr, nämlich 150 bis 200 Paare, gezählt worden.

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