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Wohltuender Kunst-Mantel

■ Finissage einer Ausstellung gegen Obdachlosigkeit

Über den Spiegeln der Garderobe mahnen Allegorien der Vergänglichkeit: Freude und Schmerz, Verlust und Gewinn – in alter moralischer Tradition und moderner Ironie hat Natalie David Die acht Beschäftigungen der Weltlichkeit in symbolische Blumenbilder gefaßt. Daneben hängt wie vergessen ein Mantel. Es ist Cettina Vicenzinos Mantel als Haus, ein Bekleidungsstück, eingerichtet, um das Wichtigste mitzunehmen.

So kommt im Altonaer Theater die Ausstellung Kunst tut wohl auf ihren eigentlichen Anlaß: Obdachlosigkeit. Die Verkaufserlöse der Kunst kommen im Rahmen von „unbedacht“, den Altonaer Akti-onstagen gegen Obdachlosigkeit, dem geplanten Lokal Zum Zinken zugute. Dieses Wort aus der Vagabundensprache bezeichnet ein langfristig angelegtes Restaurantprojekt für Obdach- und Arbeitslose.

Altonas Ateliermöglichkeiten werden geschätzt, und so haben 50 dortige Künstlerinnen und Künstler für diese Aktion des Stadtteilarchivs Ottensen Arbeiten zur Verfügung gestellt. Neben politischen Direktheiten wie einer Guillotine für Spekulanten und obligatorischen Aktpastellen ist dort viel gute Kunst zu finden. Um nur drei Arbeiten herauszugreifen, die noch nicht verkauft sind: Jaakov Blumas' sensible Gouasche-Formen in Vierergruppe, Sabine Kramers schattenwerfender Stahlblechpropeller oder Li-Bretto, ein bemaltes Bügelbrett mit drei Köpfen und einem Buch von Jadranco Rebec.

In Treppenhaus- und Foyer-Ausstellungen bleibt die Kunst immer lieblos abgestellt, egal wieviel Sorgfalt die Veranstalter darauf verwenden. Dafür haben sie gegenüber den hehren Hallen ein Mehrfaches an Publikum und manchmal ganz unorthodoxe Liebhaber: Eine der kleinen deutschen Landschaften von Ralf Jurszo wurde schlicht geklaut. Das war ein Mißverständnis: Nicht die Bilder, die Obdachlosen brauchen ein Zuhause.

Bisher aber sind durch den Verkauf erst einige tausend Mark zusammengekommen. Vielleicht verbessert sich ja das Ergebnis auf der heutigen Finissage. Dort ist noch mal Gelegenheit, mit vielen der beteiligten Künstler zu sprechen; in weißen Anzügen und mit roten Blumensträußen werden zudem Thomas Werner und Jochen Wüstenfeld eine Fassaden-Performance darbringen. Hajo Schiff

Altonaer Theater, Museumstr.17, Finissage heute, 19-21 Uhr, noch bis 21. Dez., 15-18 Uhr.

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