: Hysterie -betr.: Meditieren ohne Geist und Gummi, taz vom 13.12.1995
Betr.: Meditieren ohne Geist und Gummi, taz v. 13.12.1995
Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Versuche, den Osho Ashram in Poona als internationale Drehscheibe des illegalen Drogenhandels zu diskreditieren. Die Polizei ermittelte energisch – stets ohne Erfolg. Oshos Ashram und die Meditationszentren der Sannyasins überlebten die Verleumdungskampagnen.
Als Osho aber 1986 nach vierjährigem Auslandsaufenthalt in seinen Ashram nach Poona zurücckehren wollte, wurde es gefährlich. Die Landesregierung des indischen Bundesstaates Maharashtra, die Oshos Rückkehr nach Poona unbedingt verhindern wollte, lancierte eine Pressekampagne, die den Ashram als Brutstätte der Aids-Epidemie in Verruf bringen sollte. Indische Zeitungen behaupteten, durch Oshos Ashram werde das Aids-Virus aus dem Westen nach Indien eingeschleust. Diese Anschuldigungen waren gefährlich, weil sie die Rache-Instinkte ängstlicher Menschen schürten und eine mörderische Anti-Sannyas-Hysterie anheizen sollten.
In dieser Situation, in der die Existenz seines Ashrams auf Messers Schneide stand, hat Osho die Weisung gegeben, das Meditationszentrum von Poona zur „Ersten Aids-freien Zone der Welt“ zu erklären: Fortan wird im Ashram und in allen Osho-Meditationszentren der Welt ein gültiger Aids-Test verlangt.
Wenn man diesen Hintergrund nicht kennt, erscheint die Empörung der Act-Up-Demonstranten berechtigt. Aber ich kenne keinen Sannyasin, der einen HIV-Infizierten aus seinem persönlichen Freundeskreis ausschließen würde, und viele Sannyasins fänden es auch schön, wenn HIV-Positive an den Veranstaltungen in ihren Meditationszentren teilnehmen könnten. Freilich ist es nicht die Schuld der Sannyasins, wenn die Medien in diesem Lande schon seit Jahren eine systematische Osho-Hetze betreiben und den Osho-Gemeinschaften das Totschläger-Etikett „Sekte“ anhängen. Unbedenklich werden sie in einen Topf mit den „Scientologen“, den „Kindern Gottes“, der „Aum“-Sekte und anderen kriminellen oder geistesgestörten Vereinen geworfen. Und kein Journalist protestiert, wenn die „Junge Union“, die Nachwuchs-Organisation der CDU, in einer ihrer offiziellen Broschüren „Sekten“-Mitglieder mit „Insekten“ gleichsetzt, die man mit der Fliegenklatsche totmachen muß.
Längst sind die Journalisten in diesem Lande dazu übergegangen, die Verlautbarungen der beamteten Sektenbeauftragten der organisierten Kirchen nachzubeten. Für die Kirchen, denen jedes Jahr zehntausende von Gläubigen weglaufen und die von jungen Menschen kaum noch besucht werden, sind die Osho-Gemeinschaften eine konkrete Konkurrenz. Aber kaum ein Reporter macht sich die Mühe, gründlich zu recherchieren und zu differenzieren.
Die taz-Schlagzeile „Meditieren ohne Geist und Gummi“ spricht für sich. Immerhin sind die Sannyasins nicht so blöd, der taz den Vorwand für eine andere fiese Schlagzeilen zu liefern, die früher oder später fällig wäre, wenn es in ihrem Zentrum keinen Aids-Test mehr gäbe: „Minderjähriger infiziert sich in Oshos Sex-Ashram mit Aids.“
(...) Mit freundlichem Gruß!
Jörg Andres Elten (Satyananda)
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