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Wrocklages Fehleinschätzung

■ Polizeiexperten kritisieren Innensenator: „Hätten die Autonomen Krawall gewollt, dann hätten sie die Gewaltfrage offengelassen“

Innerhalb der Hamburger Polizeiführung war schon vor der Bestätigung durch das Oberverwaltungsgericht am Freitag abend eine heftige Kontroverse über Sinn und Unsinn von Innensenator Hartmuth Wrocklages City-Verbot für die „radikal“-Demonstration entbrannt. „Verbote lösen nur Agressionen unter den Teilnehmern aus“, so ein demoerfahrener Polizeioffizier zur taz. In fast allen Aufrufen sei ausdrücklich zu einem friedlichen Verlauf aufgerufen worden. Der Beamte: „Hätten die Automomen Krawall gewollt, hätten sie die Gewaltfrage offengelassen.“

Auch polizeitaktisch wäre es sinnvoller gewesen – wie der Demo-Verlauf schließlich bestätigte –, die Innenstadt-Route freizugeben. Der Polizeiinsider: „Es wäre kein Problem gewesen, die Demo wasserseitig über den Jungfernstieg zu führen. Im Mittelstreifen befindet sich ohnehin ein Zaum. Und den neuralgischen Punkt an der Bergstraße/ Mönckebergstraße und Rathaus hätte man kurzfristig mit Sonderfahrzeugen dichtgemacht.“ Die Angelegenheit wäre in einer halben Stunden abgewickelt gewesen, nunmehr habe man mehrere Stunden die Stadt in Ausnahmezustand versetzt.

Ähnlich sahen es auch zuvor einige Polizeiexperten im Präsidium. Mit dem Innenstadt-Verbot wird aus autonomem Verständnis heraus der Anlaß geschaffen, Randale zu machen, so der Tenor der polizeiinternen Wrocklage-Kritiker. Doch der Innensenator habe der Polizeiführung keine „Deeskalationsmaßnahmen“ gestattet und via Medien das Chaos herbeigeredet. Das es sich nicht herbeireden ließ, liegt dabei wohl kaum am rekordverdächtigen Polizeiaufgebot.

Kai von Appen

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