Preis der Gerechten

■ Aufschlag an der Staatsoper trifft vor allem Besucher mit schmalem Geldbeutel

Es klang harmlos, was Intendant Georg Quander für die kommende Spielzeit ankündigte. „Nach drei Jahren ohne Preiserhöhung“, schrieb er, „war eine moderate Anhebung der Eintrittspreise um durchschnittlich etwa 5 Prozent unumgänglich“. Einzelne Plätze würden „gerechter“ bewertet und eine „noch differenziertere“ Preisstruktur eingeführt.

Jürgen Kuhl weiß nicht, was er an den neuen Preisen moderat, gerecht oder differenziert finden soll. Als der begeisterte Konzertbesucher seine Abonnementkarte abholen wollte, mußte er für seinen langjährigen Stammplatz statt bisher 17 Mark auf einmal 37,50 Mark bezahlen. „Mein Abonnement bei der Staatskapelle ist somit nach 24 Jahren für mich nicht mehr bezahlbar“, klagt er.

Aber auch bei Opernvorstellungen sind passable Karten für wenig Geld kaum noch zu bekommen. Das betrifft vor allem die „Berliner Soirée“. Diese zehn Vorstellungen pro Spielzeit, für die Besucher aus Berlin verbilligte Karten erstehen können, mußten bei der letzten Preiserhöhung als soziales Feigenblatt herhalten. Jetzt werden just diese Karten um bis zu 66 Prozent teurer. Statt bisher 30 Mark kostet ein Platz in den hinteren Reihen des Parketts jetzt 50 Mark. Wer sich das nicht mehr leisten kann, muß sich nun auf den Rängen den Hals verrenken.

Zudem hat die Staatsoper als erstes Haus in Berlin die Abonnements gänzlich abgeschafft und durch eine neue „Staatsoperncard“ ersetzt. Sie kostet 60 Mark und verschafft dem Inhaber 25 Prozent Ermäßigung. Das klingt innovativ, benachteiligt aber das ärmere Publikum: Auf den teuersten Plätzen amortisiert sich der Ausweis schon nach zwei Opernbesuchen, beim Kauf billiger Karten erst nach dem fünften oder sechsten Mal.

Auf den Vorverkauf für die neue Spielzeit, der bereits seit 15. Juni läuft, haben sich die höheren Preise nach Angaben von Marketingleiterin Sabine Turner „nicht im geringsten ausgewirkt“. Besonders die „Staatsoperncard“ verkaufe sich viel besser als die bisherigen Abonnements. Zudem verweist Turner darauf, daß Schüler, Azubis und Studenten unter 30 Jahren an der Abendkasse weiter Karten zum Einheitspreis von 20 Mark erhalten. Langfristig, so die Marketingchefin, werde sich die Staatsoper „am allgemeinen Preisgefüge in der Stadt orientieren“. In der nächsten oder übernächsten Spielzeit werde es aber keine Preiserhöhungen geben.

Auch der Kultursenator und Wahlkämpfer Peter Radunski (CDU) beteuert, „daß in den nächsten zwei Jahren auf keinen Fall mit einer Preissteigerung in den Berliner Opernhäusern zu rechnen ist“. In Zukunft wird es also keine höheren Preise geben, sondern allenfalls „gerechtere“ oder „differenziertere“. Ralph Bollmann