Eine Lobby für Jugendliche

■ „Nicht die Not von Kindern ist der Ansatz unserer Kampagne, sondern es geht um Mobilisierung und zukunftweisende Projekte.“ Ein Gespräch mit Heike Kahl, der Geschäftsführerin der 1994 ins Leben gerufenen Deutschen Kinder- und Jugendstiftung

taz: Ist die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ein Ostprodukt?

Heike Kahl: Die Idee entstand angesichts der Wendeproblematik und der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Osten, angeregt wurde sie von der „International Youth Foundation“. Inzwischen arbeitet die Stiftung, die seit 1994 existiert, in allen Bundesländern.

An wen richtet sich Ihre derzeitige Kampagne „Children's Hour“?

Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik auf, den Verdienst der letzten Arbeitsstunde des Jahrtausends für Kinder und Jugendliche zur Verfügung zu stellen. Unternehmen spenden selbst oder rufen ihre Arbeitnehmerschaft zur Spende auf.

Sieht sich die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung – auch mit dieser Kampagne – als Lobby für Jugendliche?

Ja, denn bislang es gibt nur eine ungenügende Lobby. Deshalb haben wir gesagt, es muß eine Stiftung gegründet werden, die eine Art Katalysatorfunktion übernimmt und zwischen den gesellschaftlichen Kräften moderiert. Mit den privaten Mitteln, die wir haben, gelingt es, ein Korrektiv zu staatlichen Förderungen zu sein.

Wie sieht das konkret aus?

Beispielsweise das Thema Jugendarbeitslosigkeit. Die Stiftung versucht solche Projekte zu finden, die wirkliche Lösungen des Problems und nicht nur kurzfristige Beschäftigung bieten. Das Spektrum ist so breit, daß ich ins Schwärmen geraten könnte. In Sachsen hat zum Beispiel eine Schule ein Schülerreisebüro gegründet. In Rostock bieten junge Schüler Internetberatung für mittelständische Unternehmen an. Einer iherer Auftraggeber ist eine Modellbaufirma. Für diese Firma haben sie die Materialentwicklung im Internet recherchiert. Wir haben auch eine Hauptschule in Mecklenburg, wo zwei Jungs eine Waffelbäckerei betreiben. Das Interessante ist, daß diese Projekte wie richtige Unternehmen funktionieren. Sie haben eine Geschäftsführung, eine ordentliche Idee, eine Struktur. Sie dürfen Geld einnehmen. Die meisten sind Aktiengesellschaften und verkaufen vorher Aktien an Lehrer und Eltern. Für solche Projekte will die Kampagne Gelder akquirieren.

Was ist der Part der Stiftung dabei?

Solche spannenden Themen und zukunftweisenden Projekte zu suchen, sie zu beraten und bekannt zu machen, damit sie Gewicht und Nachahmer bekommen.

Was sind Ihre Kriterien für gute Projekte?

Bei allen Programmen dreht es sich darum, Eigeninitiative und Eigenverantwortung zu entwikkeln, berufliche Qualifikation und demokratisches Handeln zu fördern

Wollen Sie die Lücken der öffentlichen Hand füllen?

Nein. Wir wollen nicht die Finanzlücken des Staates decken. Wir wollen nicht dort einschreiten, wo der Staat schon längst aufschreit und sagt, das können wir alles nicht mehr bezahlen. Wir wollen gute Praxis finden und zum Gegenstand gesellschaftlichen Nachdenkens machen. Und deshalb haben wir beispielsweise für die jetzige Kampagne alle Träger in Deutschland eingeladen, ihre besten Projekte zu nennen, um diese durch die Mittel aus Children's Hour auch fördern zu können. Wir sind Träger der Kampagne und versuchen ein Sondervermögen „Children's Hour“ anzulegen, aus dessen Erträgen langfristig gut Jugendprojekte gefördert werden. Wenn alle spenden, kommt ein riesiger Topf zusammen mit relativ wenig Aufwand. Interview: Edith Kresta