Ohne Neid, Haß und Mißgunst

In entspannter Atmosphäre wird bei der Universiade um Medaillen gekämpft, ihrem Schattendasein können die Studentenspiele jedoch nicht entrinnen    ■ Aus Palma Harald Gaubatz

Zu Beginn des vierten Satzes im Universiade-Halbfinale, so schien es, brach bei Byung-chul Chang eine Art Kamikazementalität durch. Der Volleyballer aus Südkorea hechtete einem aussichtslosen Ball in Richtung Tribüne hinterher, knallte bei der Rettungsaktion in die vorderste Sitzreihe und wurde kurz darauf, am Knie verletzt, auf einer Trage aus der Halle gerollt. Das alles beim Stand vom 5:4 für Deutschland, das danach leichtes Spiel hatte, die ihres Herzens beraubte koreanische Mannschaft mit 3:1 (37:35, 20:25, 25:22, 25:12) Sätzen zu schlagen und damit am dritten Titelgewinn in Folge zu hindern.

Die Finalteilnahme der Deutschen in Palma de Mallorca kommt einer mittleren Sensation gleich. Ihre Ursache hat sie paradoxerweise in der vorangegangenen Erfolglosigkeit der Baggerer und Pritscher aus Alemania, die in der verpaßten Qualifikation zur diesjährigen Europameisterschaft gipfelte. Bundestrainer Stelian Moculescu, der die Auswahl daraufhin von Olaf Kortmann übernahm, hat nämlich auf einmal den Wert einer Studenten-Olympiade erkannt. „Wieder gewinnen lernen“, hat er als Parole vor Turnierbeginn ausgegeben, „dazu muß man nicht gleich gegen die ganz Guten in der Welt antreten.“

Vor zwei Jahren verbot Moculescu als Vereinscoach des VfB Friedrichshafen seinem Zuspieler Axel Jennewein noch die Teilnahme an der Universiade auf Sizilien. In Palma de Mallorca ist Jennewein nun natürlich mit von der Partie, außer ihm stehen weitere sieben A-Nationalspieler im Zwölf-Mann-Kader. Was auch nötig ist, um erfolgreich zu sein. Denn gerade in asiatischen Ländern und den USA findet Sport praktisch nur an Schulen und Hochschulen statt. Die Universiaden haben dort einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland, wo die Leibesertüchtigung, strikt vom Bildungssystem getrennt, in Vereinen betrieben wird. So haben es studierende Hochleistungssportler, die am nach den Olympischen Spielen zweitgrößten multisportiven Ereignis der Welt teilnehmen möchten, zum Teil schwer, gute Leistungen zu bringen. „Für die deutschen Fechter war es nicht möglich, sich optimal auf die Universiade vorzubereiten“, ärgert sich etwa Daniel Strigel, der vergeblich auf eine Medaille mit dem Degen gehofft hatte. „Andere Verbände nehmen mehr Rücksichten auf ihre Teilnehmer.“

Der bester Degenfechter unter Deutschlands Studenten, Jörg Fiedler, hat angesichts des Terminstresses auf den Flug nach Mallorca ganz verzichtet. Auch die Turner reisten mit der zweiten Garnitur auf die Baleareninsel. Und von den Leichtathleten fehlen Topleute mit Rücksicht auf die sich anschließenden Welttitelkämpfe. So verzichtet der „Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband“ (adh) auch darauf, der Medaillenjagd allzu große Bedeutung beizumessen. Helfen, junge Athleten an die Weltspitze heranzuführen, lautet eine der Zielsetzungen. „Der Knackpunkt in Deutschland ist“, ärgert sich Roland Joachim aus dem adh-Vorstand, „daß viele Verbände noch nicht erkannt haben, daß die Universiade eine optimale Olympia-Vorbereitung ist.“

Aber nicht nur die Sportverbände begegnen den Weltspielen der Studenten zum Teil mit Desinteresse. Während bei etlichen Nationen Einschreibekriterien an den Hochschulen sehr großzügig ausgelegt werden, um nach Möglichkeit Top-Teams aufbieten zu können, werfen selbst manche deutsche Universitäten dem adh noch Knüppel zwischen die Beine. So mußten etwa die Volleyball-Nationalspieler Holger Kleinbub und Marc Siebeck wegen Klausuren absagen.

Eine Situation, die sich bessern soll. Durch den am 29. Juni abgeschlossenen Vertrag zwischen Hochschulen und Fachverbänden sollen die „Leistungssport treibenden Studenten besser unterstützt werden“, versichert Wulf Preising, der Generalsekretär des Deutschen Sport-Bundes. Das Werk enthalte Vereinbarungen über Freistellungen und Absprachen bei Klausurterminen.

Für diejenigen, die im Moment in Palma um sportliche Ehre und Medaillen kämpfen, noch Zukunftsmusik. Was bleibt, ist die Begeisterung während der Tage auf Mallorca. Wenn ein Großteil der Sportler, die gerade keine Wettkämpfe haben, selbst die Volleyball-Begegnung gegen Gastgeber Spanien in ein Heimspiel verwandelt und anschließend mit den glücklichen Siegern die Welle zelebriert, dann ist der vielzitierte „Teamgeist“ förmlich zu spüren.

So ist auch Oliver Lampe, immerhin Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von Atlanta 1996, bekennender Universiade-Fan. „Bei Studentenmeisterschaften“, freut sich der Freistil-Schwimmer über die entspannte Atmosphäre, „gibt es keinen Neid, Haß oder Mißgunst unter den Athleten.“ Bei Olympia hat er offensichtlich andere Erfahrungen gemacht.