■ Ehud Barak und die zukünftige Größe Israels: Palästinensische Bauchschmerzen
Zum ersten Mal in der Geschichte des Staates Israel spricht ein Premierminister unmißverständlich vom „Staat Palästina“ – gut, Barak versteht den Umgang mit schönen Worten. Doch damit allein ist kein Frieden zu machen. Nicht die nationale Selbstbestimmung steht auf der Agenda, sondern der territoriale Umfang des künftigen Staates. Die sofortige Umsetzung der von Arafat und Netanjahu vereinbarten Verträge von Wye-Plantation würde die Palästinenser ihrem Ziel – die Rückkehr der Israelis zu den Grenzen von 1967 – näherbringen. Sie wäre zudem ein klares Zeichen, daß sich Israels neuer Regierungschef an unterzeichnete Verträge hält.
Doch Barak zögert, um innenpolitische Querelen zu vermeiden. Es fragt sich, warum er zwei Monate für die Errichtung einer Mehrheitskoalition verbraucht hat, wenn nicht, um zu vermeiden, zur Geisel der nationalen Partner zu werden. Die Israelis wissen, daß der Frieden mit Terroropfern bezahlt werden muß. Niemand hat die Serie von Attentaten vergessen, die den Osloer Vereinbarungen folgten. Die Wählermehrheit wußte, daß unter Netanjahus Regierung kaum Terroropfer zu beklagen waren, weil der Frieden stockte, und die Hamas schlicht keinen Grund hatte, ihre „Märtyrer“ ins Feld zu schicken.
Wie sein Vorgänger bindet Barak den Fortgang der Rückzugs an die Sicherheit des eigenen Volkes. Land gegen Frieden – aber nicht das ganze Land. Auch der neue Premier wird versuchen, den Kompromiß so billig wie möglich zu erlangen: 60, vielleicht 65 Prozent des Landes; aber sicher keine 100. Die Palästinenser haben verständliche Angst davor, beim nahöstlichen Friedensprozeß erneut auf der Strecke zu bleiben. Mit Syrien wird es leichter gehen: Obwohl Hafez Assad auf keinen Zentimeter der Golanhöhen verzichten wird, will er doch sein Gesicht wahren. Hatte er doch einst die Ägypter für den Frieden mit Israel angeprangert, nachdem sie die gesamte Sinai-Halbinsel zurückbekommen hatten.
Offenbar ist der alte Grenzverlauf, den sich die Syrer wünschen, für Barak akzeptabel. Letztlich konnte mit dem Likud auch deshalb keine Koalitionsvereinbarung getroffen werden, weil Barak es ablehnte, sich von vornherein auf einen begrenzten Abzug von den Golanhöhen zu verpflichten. Baraks erste Reise zu Hosni Mubarak, einem engen Vertrauten des syrischen Präsidenten, läßt hoffen, daß der Premier vielleicht schon bald vor dem Weißen Haus oder in Alexandria die Hand von Hafez Assad schütteln wird. Susanne Knaul
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen