: Sei auch du ein Hemingway!
■ Nachrichten von der Oberweser: Rinteln kürt am Wochenende den ähnlichsten Ernest-M.-H.-Doppelgänger aus dem DM-Geltungsbereich
Die literarische Welt, sie blickt am kommenden Samstag nach Rinteln an der Weser. Denn dort – und nicht etwa in Tauberbischoffsheim beim Degenfechter Emil Beck oder in Berlin bei Dr. Motte – wird entschieden, wer das größer gewordene Deutschland auf internationaler Ebene vertreten wird: Vertreten beim Hemingway-Ähnlichkeitswettbewerb am 21. August in Key West/Florida, zu Ehren des 100. Geburtstags von Ernest Miller Hemingway.
Ein rundes Dutzend gestandener Mannsbilder hat bislang schon seine Bereitschaft erklärt, im schnuckeligen Ambiente des fachwerkumsäumten Marktplatzes die wilde Machosau herauszulassen. Bartträger sind es allesamt, dem Trinken nicht abhold und zumindest für das Foto-Posing so erfahren im Umgang mit Zigarren, als ob sie regelmäßig an den Basiskursen des taz-internen Wahrheitsclubs im Cohibarauchen teilnehmen. Kenntnisse des literarischen Werkes von Hemingway sind für die Look-Alikes absolut verzichtbar: Schließlich darf man davon ausgehen, daß Mr. Ernest auch kein totaler Fan seines eigenen Werkes war – hätte er den Autor sonst so beiläufig erschossen?
Man darf auch davon ausgehen, daß die Teilnehmer dieser bundesweiten Qualifikationsrunde wenig Erfahrung in Sachen Stierkampf oder Großwildjägerei mitbringen: Allerdings steht der Rintelner Lokalmatador Wolfgang Ebeling in dem Ruf, ein gewaltiger Angler vor dem Herrn zu sein und mit Rute und Kescher schon gewaltige Mengen von Rotfedern und Brassen aus dem Fluß gezurrt zu haben.
Kneipenmanager Volker Hartmann, der sein hinterhältiges Altstadt-Etablissement als Reverenz an Hemingways bevorzugte Absturzstation schon vor 20 Jahren mit dem Markennamen „Sloppy Joe“ versehen hat, sicherte sich das Recht, die Vorentscheidung für den Geltungsbereich von DM und Grundgesetz durchzuführen. In endlosen Verhandlungen via Internet mit dem offiziellen Geburtstagskomitee in Key West erhielt der routinierte Zapfhahn-Impressario die mindestens ebenso offizielle Genehmigung, den in Rinteln zu wählenden Hemingway-Doppelgänger beim Finale in den Sümpfen Floridas zu präsentieren. Diese Ehre ist es ihm wert, die Flug- und Aufenthaltskosten für den Sieger des nächsten Samstag zu übernehmen und ihn mit einigen Schlachtenbummlern zu begleiten.
Damit die Kandidatenkür mit genügend national-trashigen Akzenten versehen ist, wird beim Hemingway-Trubel zu Füßen der Bronzestatue des Rintelner Nachtwächters SUSIS SCHLAGERSEXTETT die großen Hits von Conny Froboess und Ted Herold zum Besten geben: Den authentischen Sound jener Jahre also, in denen der Bertelsmann-Lesering den „Alten Mann und das Meer“ als wohlfeile Halbleinenausgabe in die nachkriegsdeutschen Haushalte pushte. Womit der Grundstock für die Popularität des literarischen Boxsportlers und Kampftrinkers auch bei jenen gelegt wurde, denen die Jagd auf die BIG FIVE (Löwe, Büffel, Nashorn, Elefant und Leopard) weniger bedeutete als das ordnungsgemäße Coupieren der Ohren des Familienhundes.
Warum machen die das? Und wenn die das schon machen müssen – wieso ausgerechnet in Rinteln? Nun – in Bremen ist ja weit und breit kein Hemingway mehr auf freier Wildbahn zu erleben: Eine Stadt, in der eigens zu Ostern das Männersorgentelefon erweiterte Sprechzeiten für die Probleme von Links- und Rechtsträgern mit ihren hartgekochten Soleiern einrichtet. Eine Stadt, in der ein HeMan-Darsteller wie Hartmut Perschau sich Kölnisch Wasser unter die Achseln sprüht, wenn er mit seinem Männerfreund Henning Scherf ein Mineralwasser auf ex trinkt. Eine Stadt, in der sich jeder Bordellbesitzer als Freund des Feminismus outet und die Schlachtermeister durch die Bank weg Veganer sind: In einer solchen Stadt können Hemingways nicht gedeihen – ja, nicht einmal als Gartenzwerge im Rhododendron-Park ihr Leben fristen, weil dort und überall das öffentliche Trinken untersagt ist.
Immerhin dürfen auch randständische Existenzen aus Bremen und umzu noch ihre Baseball-, Deerhunter- oder Fisherman's-Caps in den Ring werfen und sich an dem Ähnlichkeitswettbewerb beteiligen. Unter Tel.: 05751/42 862 werden noch Anmeldungen eisenharter Burschen entgegengenommen, die erst jetzt aus dem Cocktailnebel der letzten Jagdgesellschaft erwachen und demnächst in Florida Krokodile mit der bloßen Hand oder auch der Macht des Wortes erlegen wollen. Mit ein bißchen Maske wär das vielleicht auch noch was für Klaus Pierwoß ... Und Sozialdemokraten, die mit einer eigenhändig aus dem Humidor des Niedersachsenrosses Gerhard Schröder gestohlenen Havanna aufkreuzen, erhalten einen Sonderpreis des Heimatdichters, weil sie schon auf dem richtigen Weg des tapferen Jägers sind.
Aus Rinteln unser Sonderkorrespondent Ulrich „UrDrü“ Reineking
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