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Bußgeld für schwänzende Eltern gefordert

Der familienpolitische Sprecher der SPD, Karlheinz Nolte, will Eltern zur Teilnahme am Elternabend in Schule und Kita zwingen. Wer nicht kommt, soll zahlen. GEW und Landesschulbeirat empört  ■   Von Plutonia Plarre

Bevor alle in die Sommerferien verschwinden, hat die SPD gestern schnell noch einen Paukenschlag gelandet: „Eltern, die in der Kindetagesstätte oder Schule nie zum Elternabend kommen und jede Mitarbeit verweigern, sollen ein Bußgeld zahlen“, fordert der schulpolitische Sprecher der SPD, Karlheinz Nolte. „Denkbar wären 20 bis 30 Mark wie beim Falschparken.“ Die GEW und der Landesschulbeirat weisen den Vorschlag empört zurück. Auch der Leiter des Landesschulamtes, Wolfgang Schimmang, hält überhaupt nichts von Bußgeldern für kooperationsunwillige Eltern.

Karlheinz Nolte, Oberstudienrat a.D. und Vater eines 26jährigen, will sich nicht damit abfinden, daß immer mehr Eltern die Einladung zum Elternabend in der Kita oder Schule ignorieren. Oftmals handele es sich dabei um Eltern von Kindern mit großen Rechtschreib-, Rechen- und Leseproblemen, gesundheitlichen Auffälligkeiten und aggressiven Umgangsformen. „Ein Teil der Gesellschaft bricht weg, wenn wir nichts dagegen tun“, sagt er. Es sei dringend an der Zeit, über das Gebot der Freiwilligkeit hinauszugehen, denn die Eltern hätten in den Kitas und Schulen eine Mitwirkungspflicht. „Bußgelder könnten dazu beitragen, daß sich die Eltern besinnen“, verteidigt Nolte seinen Vorschlag. „Es ist wie beim Parkverbot. Einige bessern sich, wenn sich die Strafzettel häufen.“

Der Leiter des Landesschulamtes, Schimmang, kann sich überhaupt nicht vorstellen, daß die durch Bußgelder „erpreßte Teilnahme“ bewirkt, daß gewisse Eltern plötzlich Interesse für ihre Kinder entwickeln. Die Tendenz wird von ihm aber bestätigt, daß immer weniger Eltern der Einladung zu den dreimal im Jahr stattfindenden Elternabenden folgten. In der 1. Klasse kämen noch 80 Prozent oder sogar noch mehr. Das Interesse sinke aber mit den aufsteigenden Klassenstufen bisweilen auf „erschütternde“ 20 bis 30 Prozent. Dies sei aber nicht nur eine Frage von Bildung, Schicht und Nationalität. In Zehlendorf sei das Interesse der Eltern zwar wesentlich größer als in Kreuzberg. „Aber auch ein arbeitsloser Ausländer kümmert sich um seine Tochter.“ Ein Bußgeld werde das Interesse der Eltern nicht wecken, ist auch GEW-Sprecherin Sigrid Baumgardt überzeugt. Andere Wege seien gefragt. Statt die Kinder mit einem „Notenblatt“ nach Hause zu schicken, könnten die Eltern zu einer „verbalen Benotung“ in die Schule eingeladen werden, schlägt Baumgardt vor.

Der Vorschlag habe „weder Hand noch Fuß“, steht für die Rektorin der Kreuzberger Niederlausitz-Grundschule, Heidi Kölling, fest. Die Zwangsmaßnahme würde dazu führen, daß die Eltern beim Elternabend ihre Zeit absäßen oder ein ärztliches Attest brächten.

Für die Vorsitzende des Landesschulbeirates, Elisabeth Willkomm, ist Noltes Vorschlag „das Abartigste, was ich je gehört habe“. Die SPD sei auf dem besten Wege, unter die Fünfprozenthürde zu rutschen, ist Willkomm überzeugt. Statt die Mitwirkungspflicht der Eltern einzuklagen, sollten sich die Sozialdemokraten lieber darum kümmern, daß die Schulen nicht ständig ihre Unterrichtspflicht verletzen: Berlinweit fielen 4 bis 15 Prozent des Unterrichts aus. „Im Laufe eines Schullebens ist das ein Jahr pro Nase.“

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