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Der Außenseiter will zurück in den Zirkel

Kareem Abdul-Jabbar ist einer der besten Basketballer aller Zeiten. Nun will er Trainer werden. Aber niemand will ihn  ■   Von Thomas Winkler

Kobe Bryant war in der Stadt. Sie haben sicherlich von ihm gehört. Das ist dieser 20jährige von den Los Angeles Lakers, der vor drei Jahren direkt aus der Highschool in die NBA kam, noch nichts gewonnen hat, aber mit Macht von Medien, Liga und Sportartikelfirma zum Nachfolger von Michael Jordan aufgebaut wird. Sein Ausrüster adidas hat Bryant zum „3 EURO abc Camp“ in Berlin einfliegen lassen, damit der sein werbespotgestähltes und zugegebenermaßen sehr gewinnendes Lächeln bei einer Pressekonferenz präsentiert und in einige Kameras hält. Weil das fotogen einiges hermacht, war Bryant auch zu der einen oder anderen Trainingseinheit mit den 16- bis 18jährigen Camp-Teilnehmern vertraglich verpflichtet. Das Konzept ist aufgegangen, es läßt sich in Werbekontakten beziffern.

In den Katakomben der Max-Schmeling-Halle, dort, wo sich sonst die Spieler des Deutschen Meisters Alba Berlin umziehen, grummelt gerade jemand. „Er ist wie alle diese Superstars“, sagt Kareem Abdul-Jabbar zu niemand Bestimmtem, während er auf einer Massagebank sitzt. Es ist nicht ganz klar, ob er Bryant meint. Eins immerhin ist sicher: „Superstar“ ist in der Welt von Abdul-Jabbar eher ein Schimpfwort.

Kareem Abdul-Jabbar ist in der Stadt. Vielleicht kennen Sie ihn. Abdul-Jabbar war einer der besten und erfolgreichsten Basketballspieler aller Zeiten. Niemand hat in der NBA auch nur annähernd so viele Punkte erzielt wie er (siehe Foto). Abdul-Jabbar sitzt da oben neben Jordan, Bird, Chamberlain, Russell, Magic und Dr.J.

Jetzt ist Abdul-Jabbar 52 Jahre alt und bekommt keinen Job. Jedenfalls nicht den Job, den er gerne hätte. Im vergangenen Jahr hat er vehement versucht, Trainer in der NBA zu werden. „Ich würde mit jedem Klub sprechen, der an mir interessiert ist“, ließ er verlauten und bewarb sich bei Teams mit trainierenden Wackelkandidaten wie den New York Knicks, Denver Nuggets oder Sacramento Kings. Selbst für die traditionell lächerlich schlechten Los Angeles Clippers war er sich nicht zu schade.

„Ich weiß, daß ich Menschen etwas beibringen kann“, sagt Abdul-Jabbar. Um seine Fähigkeiten zu demonstrieren, bereitete er während der Sommerpause umsonst einige junge, vielversprechende Spieler auf die NBA vor. Die stellten ihm anschließend ein gutes Zeugnis aus. Michael Olowokandi von den Clippers, die Nummer eins des Draft 1998, ist seitdem davon überzeugt, daß „der Mann definitiv coachen kann“.

Allein, kein Klub wollte ihn haben, nicht einmal als Cotrainer. „Ich hoffe immer noch“, sagt Kareem Abdul-Jabbar heute, „daß sich etwas ergibt.“ Zu den Gründen äußert er sich nur sehr widerstrebend. „Wenn man von außen kommt“, sagt er, „ist es sehr schwierig, in den Zirkel hineinzukommen. In diesem Beruf werden immer wieder dieselben Typen recycelt.“ Registriert hat er „Animositäten und Zweifel, weil viele Leute meine Persönlichkeit als Spieler nicht mochten und deshalb dachten, ich könnte nicht trainieren“.

Mit 13 Jahren hieß Abdul-Jabbar noch Lew Alcindor und war bereits über 1,80 Meter groß. In der achten Klasse konnte er dunken. Er ragte im wahrsten Sinne des Wortes immer aus der Masse heraus. Vielleicht liegt es daran, daß er sich immer der üblichen Sportkumpanei verweigerte. Als er 1968 zum Islam übertrat und drei Jahre später seinen Namen änderte, verbesserte das sein Image nicht gerade. „Ich habe mich immer vollkommen auf meinen Job als Spieler konzentriert“, erklärt Abdul-Jabbar die Ablehnung der Öffentlichkeit, „was die anderen Aspekte des Berufes angeht, war ich nie sonderlich enthusiastisch.“ Während sein Lakers-Kollege Magic Johnson mit seiner verbindlichen Art und seinem berühmten Lächeln von den Medien geliebt wurde, lieferte Abdul-Jabbar zwar die Punkte, Rebounds und Blocks, aber sein Verhältnis zur Öffentlichkeit war immer reserviert. Von beiden Seiten aus. Auf die Frage, warum er so selten lache, ist als Antwort Abdul-Jabbars überliefert: „Es ist ganz einfach: Niemand sagt irgend etwas Lustiges.“ In seiner Autobiographie erinnert sich Johnson mit Grausen daran, wie er als Rookie versuchte, im Freudentaumel über ein gewonnenes Spiel seinen Teamkollegen Abdul-Jabbar zu umarmen. Es war der erste und letzte Versuch dieser Art.

Vor Spielen saß Abdul-Jabbar prinzipiell in ein Buch vertieft in der Umkleidekabine und war unansprechbar. Autogrammjäger ließ er meist abblitzen, bei Journalisten war der hochintelligente Abdul-Jabbar als Interviewpartner gefürchtet. Heute sagt er: „Ich hatte nie viel zu sagen.“ Inzwischen verdient er sein Geld wie viele andere Ex-Sportstars als Redner bei Kongressen und Veranstaltungen von Konzernen. Die Kareem Productions listen 14 Unternehmen auf, für die Abdul-Jabbar als Repräsentant arbeitet. Er hat immer wieder Cameo-Auftritte in Sitcoms übernommen, in einem Film mitgespielt und mehrere Bücher veröffentlicht. Darunter seine Autobiographie „Giant Steps“, von der nicht nur der ehemalige deutsche Nationalspieler Stephan Baeck sagt, sie habe Abdul-Jabbar zu seinem „ganz großen Idol“ gemacht. Außerdem hat er zusammen mit Alan Steinberg „Black Profiles in Courage“, eine Geschichte wichtiger afroamerikanischer Persönlichkeiten, veröffentlicht. Im kommenden Januar wird das Tagebuch erscheinen, das er während seiner Zeit als Assistenztrainer an einer kleinen Highschool im Fort Apache Reservat in Arizona geschrieben hat.

„Es ist schade“, sagt Kurt Rambis, selbst damals Spieler bei den Lakers und in der letzten Saison ihr Coach, „wenn Kareem nur freundlicher zu Menschen wäre, hätte er viel mehr Möglichkeiten.“ Nun hat er feststellen müssen, daß er zwar einer der besten Spieler aller Zeiten ist, aber daß seine Bemühungen, sich seinem sozialen Umfeld zu öffnen, nicht von Erfolg gekrönt werden. Selbst in einer so offensichtlich unverbindlichen Situation wie der eines Interviews spürt man noch seinen grundsätzlichen Mißmut.

Aber man merkt ihm sein Bemühen an, den geschäftlichen Erfordernissen nachzukommen. Wann es sich zutrug, daß adidas ihn „fragte, ob ich ihre Schuhe tragen wolle“, weiß er nicht mehr. Nur, daß es „vor langer Zeit, vor mehr als 20 Jahren“ gewesen sein muß und daß sein Geschäftspartner „gute Ausrüstung“ produziert. Tatsächlich steht Abdul-Jabbar seit 1969 bei adidas unter Vertrag. Dabei ist, sagt er, eine „langjährige Beziehung“ entstanden. Die sei der Hauptgrund dafür, daß er für die Herzogenauracher arbeitet. Hier aber endet bereits die Loyalität: Es sei zwar „ein Vergnügen“ gewesen, bei adidas beschäftigt zu sein, aber schlußendlich „machen alle Sportartikelfirmen mehr oder weniger das selbe“.

Abdul-Jabbar spart auch nicht mit Kritik am aktuellen Zustand der NBA. Das Spiel sei „eindimensional“ geworden, die jungen Spieler sollten lieber im College bleiben, anstatt „schon in der Highschool daran zu denken, wie sie in die NBA kommen und eine Menge Geld verdienen können“. Damit spricht er zwar nur aus, was viele denken, aber er spricht es aus. Heutzutage, wo ein Trainer nicht nur trainieren, sondern vor allem auch repräsentieren muß, ist nicht nur fachliche Kompetenz, die ihm niemand abspricht, sondern auch Diplomatie gefragt.

Daß der Zoll am Flughafen Toronto im März des letzten Jahres sechs Gramm Marihuana in seinem Gepäck fand, macht sich auch nicht gut in Bewerbungsunterlagen. Ebensowenig wie ein Zwischenfall 1997, als Abdul-Jabbar sich mit einem anderen Autofahrer anlegte und es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam. Der Fall wurde außergerichtlich geregelt, und für den Drogenbesitz zahlte er 500 Dollar Strafe. Aber beide Vorfälle ließen die Alarmglocken schrillen bei vielen Liga-Verantwortlichen, die, glaubt man Abdul-Jabbar, eh nur nach Trainern suchen, die in die Corporate Identity von Klub und Liga passen. Außerdem ist man in der NBA trotz des Erfolgs von Larry Bird bei den Indiana Pacers noch lange nicht davon überzeugt, daß ehemalige Superstars wirklich gute Trainer werden können. Der desaströse Kurzauftritt von Magic Johnson als Lakers-Coach ist noch in allzu frischer Erinnerung.

Fraglich also, ob es Abdul-Jabbar etwas nützen wird, daß er versucht, so zu reden wie andere Coaches. Auch er spricht davon, daß „Verteidigung und Effektivität“ entscheidend sind, daß „wer weniger Ballverluste hat, das Spiel normalerweise gewinnt“. Er will Basketball nicht neu erfinden, er will nur trainieren. Niemand bestreitet ernsthaft, daß er dazu in der Lage ist. Schließlich hat er recht, wenn er sagt: „Das Spiel ist grundsätzlich immer dasselbe.“ Zumindest hofft er, daß dem noch so sei.

Natürlich hat er recht, wenn er sagt: „Das Spiel ist grundsätzlich immer dasselbe.“ Zumindest hofft er, daß dem so sei.

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