: Ich Bett, du Couch
■ Beziehungskomödie sucht Thriller, Dialoge vorhanden: Rainer Kaufmanns Neo-Film-noir „The Long Hello & Short Goodbye“
Es scheint eine sehr einfache Geschichte zu sein, die in Rainer Kaufmanns neuem Film „Long Hello & Short Goodbye“ erzählt wird. Ein Mann wird nach zwei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, und ein Polizist setzt eine verdeckte Ermittlerin auf ihn an, um ihn erneut zu einem Verbrechen anzustiften. Beste Vorraussetzungen dafür, daß sich da zwei ineinander verlieben – „wie fändest du es eigentlich, wenn wir so tun, als wenn wir zusammen wären“, sagt sie zu ihm. Beste Vorraussetzungen, um aus dieser einfachen Geschichte einen kleinen, schmutzigen Film zu machen. Dies aber ist nicht Amerika, hier liefert kein Elmore Leonard die Vorlage für ein gutes Drehbuch, hier ist kein Steven Soderberg mit „Out Of Sight“, George Clooney und Jennifer Lopez am Werk.
Dies ist Deutschland, und hier möchte man seit geraumer Zeit mit aller Macht und allen Mitteln zeigen, daß man ein bißchen mehr auf dem Kasten hat als die miefigen und lange Zeit so erfolgreichen Beziehungskomodien.
Also hat sich Rainer Kaufmann gedacht, nicht schon wieder so was wie „Stadtgespräch“ (oder „Die Apothekerin“) zu drehen, sondern „etwas, das sich deutlich von dieser Erfolgskomödie abhebt“. Einen Thriller also, das neue Lieblingsgenre deutscher Filmemacher, laut Kaufmann „ein Neo-Film-noir, der mit lakonischen Mitteln eine romantische Liebesgeschichte erzählt“.
In „Long Hello & Short Goodbye“ regieren dann aber vor allem Stil, Design und Leerlauf, das Präfix „neo“ dominiert die vermeintlich „romantische Liebesgeschichte“. Die Kulissen und Bilder sind in zumeist braunen und grauen Tönen gehalten, was manchmal kalt, nüchtern und bedrohlich wirkt, manchmal aber auch nur albern ist. Das DJ- und Produzentenduo Terranova füttert diese Atmosphäre mit seinen Downbeat-Sounds einigermaßen adäquat an, und die Akteure wirken in Wort und Tat wie an einer Spieluhr aufgezogen: „Jetzt sage ich: ,Ich schlafe im Bett und du auf der Couch.' Und dann sagst du: ,Wieso schlafe ich auf der Couch?' Und dann sage ich: ,Weil du eben auf der Couch schläfst, okay?‘ “
Das sagt Melody, die verdeckte Ermittlerin, die von Nicole Krebitz gespielt wird, zu Ben, dem Panzerknacker, gespielt von Marc Hosemann, der diese Rolle bekam, nachdem Til Schweiger abgesagt hatte.
Melody redet wie ein Wasserfall, sagt, was Ben zu sagen hat, sieht gut aus, ist blond und ein bißchen blöd. Ben schweigt zumeist, sieht auch gut aus, ist auch ein bißchen blöd. Doch beide scheinen nicht so blöd zu sein, als daß sie nicht wüßten, daß tausend andere Pärchen in irgendwelchen Gangsterfilmen nicht schon dieselben Dialoge geführt hätten. Krebitz und Hosemann parodieren sich und die Figuren, die sie hier zu spielen haben, ohne allerdings witzig oder cool zu sein, und beide sind verstrickt in ein Geflecht von Wahrheit, Lügen und Inszenierung.
Man weiß nicht, ob Melody Ben an der Nase rumführt, ob ihr Boß (Dietrich Hollinderbäumer), der sich natürlich als ein Psychopath entpuppt, sie allesamt an der Nase rumführt, ob ihre Freunde Aurelia (Sunnyi Melles) und Percy (Axel Milberg), mit denen Melody den großen Showdown plant, nicht auch ihr eigenes gemeines Spiel spielen. Nur: Man will es irgendwann auch nicht mehr wissen. Die Geschichte wird, inklusive grobkörniger Rückblenden, kompliziert und komplizierter, die Figuren bleiben stilisiert, sie offenbaren trotz aller Geheimnistuerei keine Geheimnisse. Leere hat sich nach anderthalb Stunden Kino schon besser angefühlt. Und eine Liebesgeschichte haben wir gerade erst auf MTV gesehen: in einem Videoclip von Blur, in dem sich eine Milchtüte in eine andere verliebt. Das war romantisch. Gerrit Bartels
„Long Hello & Short Goodbye“. Regie: Rainer Kaufmann. Mit Nicolette Krebitz, Marc Hosemann, Sunnyi Melles, Axel Milberg u. a. D 1999, 95 Min.
Pärchenlüge, Gefühlsdesign – Leere hat sich nach anderthalb Stunden Kino schon besser angefühlt
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