: Der Anzug als tragbares Büro
■ In der Galerie designtransfer zeigt die Industriedesignerin Claudine Brignot Funktionskleidung für den Büroalltag
Ein Anzug, der zum Fahrradfahren taugt und wasserdicht ist, der genug Taschen hat, daß man problemlos Handy, Notebook, Kugelschreiber, Zigaretten, Portemonnaie, Zeitung, Schlüssel, Wasserflasche, Taschentuch, Puderdose und Lippenstift verstauen kann, kurz: ein Anzug als tragbares Büro – das hat uns noch gefehlt.
„Urban Speed“ nennt Claudine Brignot, eine 30jährige Industriedesignerin, ihre kleine Kollektion aus vier Anzügen und zwei Mänteln, die in der Galerie designtransfer zu sehen ist. Um den Menschen in ein vollkommen autarkes Lebewesen zu verwandeln, hat sich Brignot allerhand ausgedacht: Auf einer Anzugjacke sind vorn und an den Ärmeln Stoffriegel aufgenäht, an die insgesamt fünf unterschiedlich große Taschen geknöpft werden können. Ohne die Taschen sind die Riegel einfach Dekoration. Die Hose kann am Saum mittels Klettverschluß fahrradtauglich eingefaltet werden. Überhaupt verwendet Brignot keine Knöpfe, nur Klett- und Reißverschlüsse.
Die Kleidungsstücke hängen bei designtransfer einfach auf Bügeln und dürfen ausprobiert werden – was soviel Spaß macht wie Kreuzworträtsel lösen. Bei einem wadenlangen weißen sympatexgefütterten Kapuzenmantel mit drei Reißverschlüssen rund um das Kleidungsstück ist die Funktion des obersten leicht zu erkennen: Lüftung. Aber wozu dienen die anderen beiden? Nach einigem Gefrickel stellt sich heraus, daß der obere mit dem mittleren geschlossen werden kann. Schon hat man einen knielangen Mantel mit zusätzlichen Taschen, die aus dem eingeschlagenen Stoff entstehen. Der Mantel ist federleicht und mit Sympatex gefüttert, einem membranartigen Material, das normalerweise nur als Füllstoff zwischen zwei Stoffschichten verwendet wird. Mäntel und Anzüge sind wasserdicht, selbst die Nähte hat Brignot extra bestrichen, damit auch bestimmt nichts durchsikkert. Schade nur, daß alles so grau ist. Der einzige Schmuck sind reflektierende Streifen an Knien und Ellbögen. Dabei hat Farbe durchaus Ordnungswert. Man müßte nicht mehr lange nach dem Handy suchen, sondern wüßte gleich wenn's klingelt: rote Tasche!
Die Anzüge können auch bestellt werden, theoretisch zumindest: „Brignot sucht gerade nach einer Fabrik, die auch kleine Mengen herstellt“, erklärt eine Mitarbeiterin von designtransfer, „darum können wir auch noch nichts über die Preise sagen.“ Immerhin: Für einen der Anzüge gibt es eine Bestell-Liste. see
„Urban Speed“. Bis 30.7. in der Galerie designtransfer, Grolmannstr. 16, 13 bis 18 Uhr. Montags geschlossen.
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