: „Schaustelle“ leidet ohne Baustelle
■ Berlin läßt sich nicht mehr allein als Stadt im Werden verkaufen. Zur Halbzeitbilanz will „Partner für Berlin“ nicht einmal mehr Besucherzahlen nennen. Berlin-Werber setzen nun auf die Verbindung von Kultur und Kommerz
Die Schaustelle, das jährliche Mega-Event der Marketinggesellschaft Partner für Berlin, hat offensichtlich ein Problem. In ihrem vierten Jahr gehen ihr die Baustellen aus – und damit die ungewöhnlichen Orte, die die Veranstaltung so attraktiv machen. Am Potsdamer Platz drehen sich kaum noch Baukräne. Und am Kanzleramt oder am Lehrter Bahnhof, wo noch gebuddelt und betoniert wird, bleiben die Bauzäune für Schaustellenbesucher verschlossen.
So bezeichnete Volker Hassemer, Geschäftsführer von Partner für Berlin, bei der gestrigen Halbzeitbilanz der diesjährigen Schaustelle die Publikumsresonanz zwar als „wie erwartet“, genaue Zahlen wollte und konnte er aber nicht nennen. „Die Teilnehmer der kostenpflichtigen Touren mit Schiff, Bus oder Fahrrad machen nur noch einen Bruchteil aus“, sagte Hassemer zur Begründung. Die Resonanz der erstmals unter dem Motto „Berlin: offene Stadt“ angebotenen Rundgänge, bei denen Flaneure durch Stelen im Stadtbild zu meist fertiggestellten Bauten geleitet werden, lasse sich allenfalls anhand des gut verkauften „Wegweisers“ ablesen. Erfolgszahlen, mit denen Partner für Berlin in den letzten Jahren prahlen konnte, sind das jedoch nicht.
„Für uns ist das ein ein Stück weit abgeschlossenes Kapitel“, gab sich gestern auch Mike Penkert von DaimlerChrysler rückwärtsgewandt. „Unsere Teilnahme an der Schaustelle ist eine Erinnerung an die Zeit der Bauarbeiten am Potsdamer Platz“, leitete er seine Ankündigung eines zehnstündigen Theaterfestivals auf dem Marlene-Dietrich-Platz ein, mit dem am 4. September die Schaustelle zu Ende gehen soll. „Letztes Jahr war das noch an einem ganz besonderen Ort mit viel Improvisation“, erinnerte sich Penkert. Da sich die Bauarbeiten am Potsdamer Platz nun endgültig dem Ende nähern, könne sich Daimler nur noch „konventionell“ an der Schaustelle beteiligen.
Von vornherein ausgeschlossen bleibt das gemeine Publikum bei den gestern gleichzeitig angekündigten Feierlichkeiten zum Umzug des Fernsehsenders Sat1. am 30. August nach Berlin. Für den Festakt in der Jägerstraße in Mitte werden nach den Worten von Sat1.-Sprecher Dieter Zurstraßen „1.500 geladene Gäste“ erwartet. Der Normalberliner darf sich um drei mal zwei zu verlosende Freikarten prügeln – oder um Freitikkets für ein anderorts stattfindendes Marius-Müller-Westernhagen-Konzert.
Prügeln muß sich der Kommerzsender auch noch mit den örtlichen Behörden. „Seit vier Monaten versuchen wir vergeblich, die Genehmigung zu bekommen, die Jägerstraße für das Fest sperren zu dürfen“, bedauerte Zurstraßen. Wahrscheinlich müsse man daher das Fest wie eine „konspirative Veranstaltung im Sinne des 1. Mai in Kreuzberg“ durchführen.
Statt auf den Reiz des Unfertigen setzt Partner für Berlin in Zukunft auf eine Mischung aus althergebrachter Kultur und Kommerz. So kündigte Hassemer einen „Kunstherbst“ an, der sich mit den Berliner Festwochen und der Ausstellung „Malerei im 20. Jahrhundert“ an die Schaustelle anschließen werde.
Im November und Dezember soll es zudem sieben „Shopping-Weekends“ geben, auf die das überaus erfolgreiche Konzept der „Langen Nacht der Museen“ übertragen wird. So werde es unter anderem eine „Lange Nacht der Galerien“ und eine „Lange Nacht des Films“ geben. Damit wolle man kommunizieren, so Hassemer, daß sich Berlin wie andere Metropolen „hoffentlich“ zu einer Einkaufsstadt für Berliner und Touristen entwickeln werde.
Gereon Asmuth
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