: Behörde schiebt Kompromiß ab
Rot-grüne Einigung über humanere Abschiebungen hielt nur eine Woche: Armenische Familie gestern auseinandergerissen ■ Von Elke Spanner
Gerade eine Woche ist es her, daß SPD, GAL und Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) ihre Einigung auf eine etwas humanere Hamburger Ausländerpolitik verkündeten. Gestern riß die Ausländerbehörde eine armenische Familie auseinander.
Die rot-grüne Koalition hatte wegen der Abschiebungen kranker Flüchtlinge, dem Auseinanderreißen von Familien und der oft wochenlangen Abschiebehaft heftig gekriselt. Am vorigen Freitag hatten die Fraktionsspitzen nach einer nächtlichen Marathonsitzung ihren Kompromiß präsentiert: Familien, sollen grundsätzlich zusammen abgeschoben werden, Ausnahmen oder Abschiebehaft würden mit „besonderer Sensibilität“ geprüft.
Wie die aussieht, zeigt der Fall der Familie H. Die Mutter mit der dreijährigen Tochter darf in Hamburg bleiben, der Vater und die beiden 12 und 13 Jahre alten Töchter sollten abgeschoben werden. Die Mädchen entgingen ihrer Ausreise nur, weil sie nicht zu Hause waren, als die Polizei sie abholen wollte.
Da für die Dreijährige noch ein Asylverfahren läuft, muß die Ausländerbehörde sie zumindest zusammen mit der Mutter in Hamburg belassen. Der Vater hingegen war am Donnerstag entgegen der neuen politischen Vorgabe in Abschiebehaft genommen worden – als er mit seiner 12jährigen Tochter, die für ihn übersetzte, in der Ausländerbehörde war. Das Mädchen kehrte statt mit ihrem Vater in Begleitung von Polizeibeamten in ihre Unterkunft zurück. Dort sollten sie und ihre Schwester gestern abgeholt und zum Flughafen gebracht werden. Als am frühen Morgen uniformierte BeamtInnen die Kinder fortbringen wolten, waren diese allerdings nicht zu Hause.
Am Donnerstag abend hatte der Staatsrat der Innenbehörde, Wolfgang Prill, die SPD-Fraktionsspitze über das Vorhaben informiert, die Familie zur Abschiebung auseinanderzureißen. „Nach dem Kenntnisstand, den wir zu diesem Zeitpunkt hatten, konnten wir davon ausgehen, daß eine sensible Einzelfallprüfung stattgefunden hat“, formulierte die Parlamentarische Geschäftsführerin Dorothee Stapelfeldt (SPD) gestern gegenüber der taz ihre Einschätzung mit vorsichtigen Worten. Ob sie es für „besonders sensibel“ halte, Kinder frühmorgens von der Polizei abholen zu lassen und von ihrer Mutter zu trennen, wollte sie indes nicht kommentieren.
GAL-Fraktionschefin Antje Möller hingegen schon. „Die Ausländerbehörde hat hier nicht die nötige Sensibilität gewahrt“, so Möller. „Es hätte Möglichkeiten gegeben, die Familie zusammen ausreisen zu lassen“. Daß die Innenbehörde sich zuvor die Zustimmung der SPD hatte geben lassen, sei ein Zeichen, daß sie die politische Vereinbarung noch nicht als eigenen Arbeitsauftrag umgesetzt habe. „Nicht die Politik, sondern die Behörde selbst muß die sensible Lösung in Einzelfällen suchen“. Möller kündigte an, ihre „Wut über diesen Fall an geeigneter Stelle der Innenbehörde vorzubringen“.
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