: Weinprobe
■ Femininer Wein an maskulinem Ort
Kalt, abweisend, menschenfeindlich: Was hat man dem neuerbauten Stadtteil um den Potsdamer Platz nicht schon alles Böses unterstellt. Voll ist es dort gleichwohl, und mögen einige Fassaden tatsächlich nicht sehr einladend wirken, wird man dies von einem Haus an dieser Stelle gewiß nicht behaupten können: Dem ehrwürdigen Haus Huth, dem einzigen alten Gebäude am Platze. Nicht nur sticht es hier durch sein geradezu exotisch wirkendes Äußeres hervor, sondern ganz besonders durch das, was drin ist: die Weinhandlung „Hardy im Huth“ nämlich. Auf ganz unberlinerische, nämlich ausnehmend freundliche Art kümmern sich Julia Schäfer und Philippe Schreiber um alles, was europäische Rebensäfte angeht. In ökologisch wertvoller Hinsicht stechen aus ihrem wohlsortierten Angebot die Weine von Gaston Huet heraus. Vor über zwanzig Jahren hat sich der mittlerweile 90jährige Winzer aus Vouvray am nördlichen Ufer der Loire zur biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise bekehren lassen. Seitdem sind seine ohne Chemie, dafür aber im Einklang mit Mondphasen und Planetenbahnen erzeugten Weine die unumstritten besten der Region. Aus der heimischen Chenin-Rebe keltert Huet den Vouvray Le Haut Lieu, der manch einem deutschen Riesling zwar nicht unähnlich ist, sich von den meisten Vertretern jener Rebsorte jedoch durch ein Mehr an Weiblichkeit abhebt. Was das heißt? Nun, wir erschnüffelten beim 1996er feine Düfte von Blüten, Birnen und exotischen Früchten, waren dann überrascht von der mineralischen Frische des Geschmacks und schließlich entzückt von der wieder lieblicheren Honignote im Abgang. Ob das nun alles „weiblich“ ist oder nicht, darüber mag man/frau diskutieren, für 17 Mark ist der Saft in jedem Fall eine günstige Gelegenheit, schroffe Fassaden und geleckte Shopping-Mall-Fußböden schnellstens zu vergessen. Eberhard Schäfer
Weinhandlung und Bistro Hardy im Huth, Alte Potsdamer Straße 5, Tel.: 25 29 72 82.
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