„Der Euro ist ein Riesenerfolg“

■  Um den Wertverfall der europäischen Gemeinschaftswährung auf dem Weltmarkt aufzuhalten, verlangt Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) die Auflösung des Flächentarifvertrages

taz: Was macht ein ehemaliger Bundesminister, wenn er nicht mehr Bundesminister ist?

Theo Waigel: Gerade komme ich vom Einkaufen.

Brot, Eier, Milch?

Ja, solche Sachen. Und dann mußte ich mir mal wieder die Brille herrichten lassen, die durch häufigen Gebrauch ein bißchen aus der Fasson geraten war.

Und sonst?

Heute nachmittag habe ich einen Termin in meiner Heimat, wo ich die Verdienstmedaille des Landkreises Günzburg bekomme. Am Abend ist schon wieder eine Kundgebung in Landsberg, morgen früh fahre ich nach Andechs, wo ich mit Oberstufenschülern diskutiere. Es sind nicht viel weniger Termine als früher, nur: Sie machen meistens Spaß.

Haben Sie Zeit, sich über den Euro Sorgen zu machen?

Wenn man den Vertrag von Maastricht unterschrieben und die Stabilitätskriterien des Jahres 1997 in Deutschland durchgesetzt hat, begleitet einen das täglich.

Sie wollten einen stabilen Euro. Nun sackt und sackt er. Haben Sie Ihr Ziel verfehlt?

Nein. Der Wert des Geldes innerhalb der Euro-Zone ist stabil. In fast allen elf Ländern liegt die Inflation bei einem Prozent – ein Riesenerfolg. Die Zinsen in Deutschland und Europa wurden ebenfalls gedrückt, und die Länder halten ihr Staatsdefizit unter drei Prozent. Und ein Letztes: Ohne den Euro hätte der Krieg im Kosovo das alte Währungssystem Europas in der Mitte auseinandergerissen. Einige Währungen hätten dem Spekulationsdruck nicht standgehalten.

Meinen Sie Italien, das während des Krieges nicht mehr nach Jugoslawien exportieren konnte?

Ich will keine Namen nennen. Aber die möglichen Folgen konnte man schon 1993 und 1995 beobachten. Damals gab es erhebliche Auf-und Abwertungen. Stützungskäufe zugunsten anderer Währungen kosteten die Bundesbank teilweise über 100 Milliarden Mark innerhalb weniger Tage – und nützten doch nicht viel. In Deutschland führte die Abwertung von Ländern, in die wir exportieren, zum Verlust von 500.000 Jobs.

Der Innenwert des Euro hält, aber der Außenwert sinkt.

Das macht mir natürlich Sorgen. Darin sehe ich die Reaktion der Märkte darauf, daß die europäischen Finanzminister kürzlich erstmals einem Land – Italien nämlich – erlaubten, seine Verschuldung zu erhöhen. Außerdem herrscht die Einschätzung, daß die europäischen Volkswirtschaften ihre Wachstumskräfte nicht so stark entfalten wie die USA und die Strukturreformen in Zentraleuropa ausbleiben.

Was sollte die rot-grüne Regierung tun?

Sie hätte schon längst eine wirkliche Steuerreform beschließen müssen. Und sie hätte die Sozialreformen unserer Regierung nicht zurücknehmen dürfen – die Veränderungen bei der Rente, beim Kündigungsschutz und der Lohnfortzahlung.

Die Regierung hat die Lohnnebenkosten gesenkt und will Betriebe wie VerbraucherInnen steuerlich entlasten.

Die Steuerreform kommt doch erst zum Januar 2001 – und wie sie genau aussehen soll, ist noch nicht geklärt. Auch dann bleibt ein Spitzensatz der Einkommenssteuer von 48 Prozent, der schlichtweg verfassungswidrig ist.

Sie selbst konnten die Steuer auch nicht herunterschrauben. Wieso beschweren Sie sich?

Das lag nicht an mir, sondern ausschließlich an Ex-SPD-Chef Lafontaine und dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Eichel, die das verhindert haben.

Weniger Lohnnebenkosten, mehr Nachfrage durch höheres Kindergeld – kein guter Hintergrund für eine positive Wirtschaftsstimmung und den Euro?

Die Stärkung des Konsums hat noch selten zur Stärkung der Investitionen geführt und zu einem besseren Wirtschaftsklima beigetragen. Natürlich muß man auch an die Nachfrage denken, aber das reicht keineswegs. Sonst hätten die hohen Transferzahlungen an die östlichen Bundesländer dort zu einer überproportionalen Konjunktur und vielen Arbeitsplätzen geführt. Man kommt also nicht umhin, die Kosten der Unternehmen zu reduzieren. Das ist es, was die Märkte von uns verlangen.

Welche Reformen fehlen?

Wir brauchen mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Die Flächentarifverträge müssen geöffnet werden, um Lösungen für einzelne Betriebe und Regionen zu ermöglichen. Außerdem sollte man Sozialhilfeempfängern Anreize geben zu arbeiten. Niedrige Einkommen dürfen nicht sofort mit der Sozialhilfe verrechnet werden. Interview: Hannes Koch