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Ach wie unsinnig, wenn Unsinn Sinn macht

■ Im Pier 2 ruinierte Helge Schneider mit seinen „Firefuckers“ seinen Ruf als heilloser Irrer durch Können&Kunst

Einer meiner geheimsten Wünsche war es seit langem, eine Band zu gründen, nur um sie dann „The Flying Assholes“ zu nennen. Das kann ich jetzt getrost vergessen (und daher auch gestehen), denn „The Firefuckers“ ist natürlich viel dreister. Helge Schneider ist Deutschlands Antwort auf George Lucas (mit Otto als Spielberg). Auf seine Weltraumoper müßen wir zwar noch warten, aber kaum einer beherrscht so virtous wie er das Marketingspiel: CDs, Filme, Konzerte, Bücher, T-Shirts, Ausrutscher im Fernsehgarten – Schneiders Angriffe sind nicht multi- sondern schon metamedial. Jetzt hat er noch einen Dreh für seinen im Grunde ja immer gleichen Witz gefunden, und die Helge-Puristen dürften leicht entsetzt sein, denn bei der Konzept-Konzerttour „Helge and the Firefuckers“ macht sein Unsinn eindeutig zuviel Sinn.

Verdächtig ist schon, daß die Band offensichtlich vorher geübt hat – sowas hat es früher nie gegeben. Zudem spielen sie sich souverän und ohne Patzer durch die verschiedenen Rockstile; mit Eric Bernard ist gar ein passabler Gitarrist am Werk. Helge, Helge, quo vadis? Als Gegenpol gibt es immerhin zwei Freaks auf der Bühne: ein Serge Gleitmann ist mit langem Bart, Haupthaar und Teilglatze sein Faktotum, das ihm auf der Bühne den Tee reicht, ständig herumgeschubst wird und nebenbei auch mal kurz auf dem Baritonsaxophon herumhupen darf. Vanjiro heißt eine junge, afrodeutsche Frau, die durch ihre recht verquere „modernististische Choreographie“ überzeugt und ein bißchen mitsingt. Es ist also immer was los auf der Bühne, und das Publikum lachte natürlich auch ausgiebig am Samstag abend im gutgefüllten Pier 2, aber dennoch war es anders als sonst.

Helges Perücke wirkt zum Beispiel viel gekämmter, und man weiß eigentlich immer, was er gerade macht. Dabei waren es gerade die bodenlosen Mysterien seines vermeintlichen Schwachsinns, die an Helge Schneider so faszinierten. Dies ist im Grunde ein recht konventionelles Konzert mit Parodien auf die Rockszene. Schneider macht den Jimi Hendrix, Schneider verdeutscht „Nights in White Satin“ (“Nacht in weißen Sachen“), und auch das „Katzenklo“ wird durch Gitarrenriffs zur Rockhymne. Manchmal beschleicht einen der Verdacht, Helge Schneider bemühe sich, alles richtig zu machen (und das ist bei ihm fatal) – und dann klaut er sogar noch ganz frech: Seit einigen Wochen ist die „Öh Lapalöma-Boys“ mit ihren gesächselten Liedern en vogue, und prompt liefert Helge Schneider ein „Cöpa Caböna“ in breitestem Ostdeutsch. Schlimm, schlimm!

Aber sehr unterhaltsam und witzig ist das alles dann doch. Eine neue, angemessen beklopte Hymne hat Schneider mit „Ich arbeite bei der Post – die Arbeit ist Scheiße, sie fängt so früh an“ geschaffen, und „A Whiter Shade of Pale“ als Hussa-Stimmungslied zu verwursten, das kann wohl nur er allein. Aber sein Stil ist nicht mehr so rein wie vorher. Wir warten auf „Helge in Space“!

Wilfried Hippen

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