Karossen auf der Nase

■ Kulturkonglomerat Brasilien: Carlinhos Brown und Capoeira do Brasil beschließen den brasilianischen Sommer in der Fabrik

Nichts kann so weit auseinanderliegen, als daß es der brasilianische Superstar Carlinhos Brown nicht zusammenbrächte: Rock, Pop, Reggae, Jazz, Volksmusik und Klassik. Schon seine Texte mischen fast unauflöslich die portugiesische und englische Sprache, seine poetischen Formulierungen sind dabei immer mehrdeutig, oft zugleich erotisch und religiös. Vielleicht ist er die perfekte Verkörperung des brasilianischen Kulturkon-glomerats, die erfolgreichste ganz sicher: Mehr als 30 Nummer-Eins-Hits hat er für so unterschiedliche Abnehmer wie Daniela Mercury, Joao Gilberto, Sergio Mendes oder die Metall-Band Sepultura geschrieben.

Auf seiner neuesten, von Marisa Monte produzierten CD bezeichnet sich Carlinhos Brown als Omelete Man, ein treffender Ausdruck für eine vielschichtige Person, der ebenso locker 50 Streicher wie 50 Trommler in seine Songs einbauen kann. Schon sein Name steht für den Wunsch nach Kombination: Antonio Carlos Santos Freita wählte sich den Künstlernamen nach seinem amerikanischen Idol James Brown.

Zudem erlaubt es die afrobrasilianische Religion, daß die Gottheiten in der Musik Besitz von ihren Anhängern ergreifen. Und Spuren zum Kult des Candomble legen schon die Kryptogramme im Booklet, die Attribute der zwölf wichtigsten Orixas zitieren: Wenn sich der Meister vier Papageien aus dem reichlichen Haupthaar kämmt, so ist das nicht nur üppig sprießende Phantasie, sondern ein Hinweis auf den für Kräuter und Gesundheit zuständigen Gott Ossaim.

Bei einer in Bild, Text und Musik so vielfältig changierenden Kreativität ist nicht vorherzusagen, was genau von seinem Auftritt in der Fabrik zu erwarten ist, auch wenn Carlinhos Brown kaum die Militärband der Luftwaffenbasis von Salvador mitbringen wird. Mit der hat er den Schlußsong eingespielt: Eine mit Freudenschüssen durchmischte Hymne an den heiligen Antonius. Wie das zusammenpaßt, ist wieder so ein Geheimnis des schwarzen Synkretismus aus der Region Bahia: Santo Antonio ist im Candomble die christliche Ersatzfigur für den afrikanischen Eisen- und Kriegsgott Ogun.

Ebenso miteinander verflochten sind Kampf und Spaß bei der Capoeira des 14. Internationalen Work-shops von Paulo Siqueira, die den diesjährigen „Brasilianischen Sommer“ in der Fabrik abrunden. Einst diente der Tanz den schwarzen Sklaven als heimliche kriegerische Übung und war daher noch bis zur Mitte dieses Jahrhunderts von den brasilianischen Regierungen ungern gesehen. Inzwischen ist er ebenso kulturelle Selbstvergewisse-rung wie exportfähiger, artistischer Sport mit Musikbegleitung auf eigenartigen Instrumenten wie der Berimbau. Das ist eine einsaitigen Stockgeige mit Resonanzkörper aus einer Kürbiskalebasse.

Hajo Schiff

Carlinhos Brown: Di, 27. Juli Capoeira do Brasil: Sa, 31. Juli,

jeweils 21 Uhr, Fabrik