: Grooves mit Geschmackssiegel
Ausgeschwitztes Kondenswasser wird hier nicht mehr von der Decke tropfen: Der traditionsbewußte Club Delicious Doughnuts, der vor zwei Jahren schloß, ist wieder da. Im neuen Kleid ■ Von Tobias Rapp
Als das Delicious Doughnuts vor sechs Jahren zum ersten Mal seine Pforten öffnete, war das hauptstädtische Nachtleben vor allem ein Gerücht. Wer in der Spandauer Vorstadt ausgehen wollte, konnte von Kellerbar zu Kellerbar ziehen, überall rieselte der sprichwörtliche Putz in die Gin Tonics, und die Läden öffneten so schnell, wie sie wieder verschwunden waren. Die Hackeschen Höfe gab es nur als Verfallszustand, und dort, wo heute die Neuen Hackeschen Höfe stehen, war ein wilder Parkplatz. Von Hauptstadt- und Metropolenniveau war keine Rede, vielleicht weil man ohnehin genug damit zu tun hatte, aufzupassen, daß man nicht die handgeschweißten Stahltreppen herunterpurzelte. Und wer tanzen wollte, ging in die Gegend zwischen Leipziger und Mauerstraße, denn dort rummste es, und Techno regierte unangefochten die Nächte.
Dann eröffnete das Doughnuts. Und dort war einiges anders. Der Laden war schick, dort wurde Acid Jazz gespielt, und wenn Gäste dort Dreadlocks trugen, waren sie feinsäuberlich gedrehtes Fashion-Statement und keine zur Schau getragene Protesthaltung. Vier Jahre lang hielt es sich, und als das Delicious Doughnuts 1997 schloß, hatte sich die Gegend verändert, Galerien reihten sich jetzt an Cafés, und man konnte sich des Gedankens kaum erwehren, die Gentrifizierung habe eines ihrer Kinder gefressen, zumal der Nachfolgeclub der Macher – das Oxymoron in den Hackeschen Höfen – ein Hangout für die jeunesse d'orée der Neuen Mitte darstellte. Doch nun ist es wieder da. Seit vergangenem Wochenende gibt es das Doughnuts wieder und, wie sollte es anders sein, bleibt alles anders. Das Doughnuts hat sich den neuen Gegebenheiten angepaßt.
Denn es gibt Konkurrenz. Und weil das neue Doughnuts das Publikum des alten ziehen möchte, tut es gut daran, auf diese zu reagieren. Denn wer vor Jahren noch tanzen wollte, will in diesen Tagen lieber an der Bar hängen und das eine oder andere Mixgetränk zu sich nehmen. Zumal das alte Doughnuts schon eher ein Publikum angezogen hatte, das Hedonismus eher als Geldausgeben begriff. Wer hierher kam, zückte einen Montblanc-Füller, wenn er jemandem seine Telefonnummer aufschreiben wollte. Und so besteht eben jene Konkurrenz nicht etwa in den anderen Clubs, von denen es ja auch trotz Clubsterbens noch welche gibt, es sind vor allem die zahllosen Cocktailbars und teuer-schicken Café-Restaurants, die sich über die Gegend verteilen. Und auf die reagiert das Doughnuts, indem es eine Cocktailbar geworden ist. Mit DJ und angeschlossener Tanzfläche.
Die alte Aufteilung zwischen Café vorne und Tanzfläche hinten gibt es nicht mehr, die Mäntel hängt man nicht mehr ins Fenster, auch die schwer gepolsterte Verbindungsschwingtür ist verschwunden, statt dessen gibt es eine ewiglange Bar und ledergepolsterte Sitzecken mit kleinen Tischchen. Das Licht ist rötlich, und eine Klimaanlage saugt den Rauch ab. Ausgeschwitztes Kondenswasser wird hier nicht mehr von der Decke tropfen. Und auch musikalisch gibt sich die Neuauflage nicht so weit vom alten Doughnuts entfernt.
Damals war der Laden die erste Adresse für Downtempo und Rare Grooves in der Stadt und tatsächlich ein Club mit einer glücklichen Hand für das Booking. So traten dort Kruder & Dorfmeister auf, bevor sie Konsensmusik der zweiten Hälfte der Neunziger geworden waren, auch Jimi Tenor hatte dort seinen ersten Berliner Auftritt, genau wie die Propellerheads. Und den Machern schwebt eine Fortsetzung dessen vor, nicht zuletzt, weil der Booker des alten Doughnuts auch der des neuen ist. „Ein gemütliches Labor für kreatives Erleben“ nennt man das, wenn man einen Promotext zu verfassen hat, und das bedeutet, daß von Afrofunk über House und Rare Groove Musik läuft, die mit einem amtlichen Geschmackssiegel ausgezeichnet ist, die aber nicht auf die Tanzfläche zwingt. Und wahrscheinlich liegt das Delicious Doughnuts damit genau richtig. Denn der Laden hat eines, was die anderen nicht haben und was im Amüsementdreieck zwischen Hackeschem Markt, Oranienburger und Auguststraße ein rares Gut ist: Geschichte. Eine teuer eingerichtete Bar aufmachen kann jeder – eine Bar, die es früher schon gab und die schon in der wilden Zeit geöffnet hatte, eben nicht. Und so wird nun jeden Tag ein anderer DJ die Bar bespielen, Internetgewinnler und Flyerdesigner werden an ihren Getränken nippen, und es werden Donuts angeboten werden.
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