: In Prizren gilt: Auge um Auge, Haus um Haus
■ Noch immer zünden Albaner in den serbischen Vierteln Häuser an. Bei der UCK stoßen diese Racheakte auf Ablehnung. Die KFOR steht den Brandstiftungen machtlos gegenüber
Prizren (taz) – Als die Dachbalken zerbersten, sprüht ein Funkenregen über die Altstadt von Prizren. Nur wenige Meter vom Sitz des orthodoxen Erzbischofs von Prizren entfernt brennt ein serbisches Haus. In diesem serbischen Stadtteil waren schon letzte Woche vier Häuser abgebrannt.
Umstehende Albaner freuen sich. „Die haben unsere Leute umgebracht, jetzt sollen wenigstens ihre Häuser brennen.“ Die Feuerwehr versucht zu löschen. Deutsche Soldaten eilen an den Brandherd. Doch das Feuer ist nicht zu stoppen. Das Haus brennt aus. Immerhin gelingt es, ein Übergreifen des Brandes auf die Nachbarhäuser zu verhindern.
Gerüchte über die Brandstifter machten die Runde. Albanische Jugendliche seien das gewesen, behauptet ein albanischer Café-Besitzer. Ein anderer Nachbar, Halil Krasniqi, will gesehen haben, wie die 70jährige serbische Hausbesitzerin selbst ihr Haus angezündet hat. Vier albanische Flüchtlingsfamilien, deren Häuser von Serben zerstört worden waren, seien von der Stadtverwaltung in dieses große Haus einquartiert worden. Der Serbin habe das nicht gepaßt. Sie sei schon vor Tagen in die orthodoxe Kirche geflüchtet, wo viele Serben leben würden.
Auch die deutschen KFOR-Truppen tappen im dunkeln. In den verwinkelten Gassen sei es schwer, Täter auf frischer Tat zu ertappen, erklären die Soldaten. Zwar werde patrouilliert, die wendigen Wiesel-Panzer seien im Einsatz. Brandstiftungen zu verhindern sei jedoch fast aussichtslos.
Schwerbewaffnete deutsche Soldaten schützen den Sitz des orthodoxen Erzbischofs. „Bei diesem Gebäude geht es auch ums Prestige“, sagt ein Offizier. Serbische Häuser und historische Bauten dürften nicht zerstört werden. Erwischte man die Täter, würden die ins Gefängnis gebracht. Mehr als 80 Leute säßen dort ein. Sie seien beschuldigt, geplündert oder gestohlen zu haben oder illegal Waffen zu besitzen.
„Solche Täter sind keinesfalls UÇK-Leute“, sagt Sali Haradinaj, Ex-Kommandant von UÇK-Truppen an der Grenze zu Albanien. Kriminelle nutzen die Embleme der Befreiungsarmee. Die UÇK-Polizei versuche, Übergriffe zu verhindern. Er selbst hat gerade einer serbischen Frau geholfen, in ihre Wohnung zurückzukehren. „Viele Serben werden bedroht, vor allem nachts mache ich kein Auge zu“, erklärt sie. Sie will wieder in die Kirche gehen, wo sie sich mit den anderen Serben sicher fühlt.
Manche der Racheakte lassen jedoch auf Planung schließen. In einem Romaviertel im Norden der Stadt wurde das Haus von Ali Krasniqi abgebrannt. Der Rom war als serbischer Kollaborateur bekannt, die Familie ist mit dem Rückzug der serbischen Truppen nach Serbien geflohen. Als die albanischen Nachbarn zurückkehrten, fanden sie Diebesgut in dem Haus, das aus ihrem Besitz stammte. Vor einer Woche brannte das Haus. Die Häuser der anderen Roma in diesem Viertel stehen noch. Doch die Romabevölkerung lebt in Angst. „Nachts kommen die Jugendlichen, schmeißen mit Steinen. Wir hoffen, daß die deutschen Truppen hier öfter vorbeiziehen.“ Am liebsten wäre ihnen, wenn ein Panzer ständig in dem Viertel stationiert wäre.
Erich Rathfelder
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