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Sieben Töne für umsonst

■ Experimentelle und elektronische Musik mit Langzeitwirkung: Farmers Manual und Defrost vom Wiener Label Mego im Maria

Bei Menschen, die gern Popmusik hören und noch lieber darüber reden, gehört das Spielchen „Stadt, Land, Musik“ zum Standardrepertoire der Kommunikation. Nenne mir Länder oder Städte, und ich sage dir, was sie hören und welche Labels für die einzelnen Szenen, Produktionen und Trademarks verantwortlich sind.

Geht es um Österreich und Wien, ist die erste und häufigste Nennung Kruder & Dorfmeister, deren leichte und flauschige Coffeetable-Sounds mittlerweile auch in schlecht sortierten Plattensammlungen stehen.

Doch in Wien hat es in den letzten Jahren gerade im Bereich der elektronischen Musik eine Vielzahl von Labelgründungen gegeben, die dafür gesorgt hat, daß die Stadt bei Liebhabern der etwas anderen Techno-Sounds einen guten Ruf genießt.

Da werden mit Freude Namen wie Patrick Pulsinger und Erdem Tunakan gedroppt, da bekommen viele ganz heiße Ohren, wenn das Label Sabotage Communications mit Leuten wie Alois Huber und Franz Pomassl in den Clubs dieser Welt seine Lesart von Minimal Techno zum besten gibt; und da dürfte auch Peter Rehbergs Label Mego mittlerweile ein paar mehr Leute interessieren und begeistern als die üblichen Eingeweihten: Gab es doch für Mego in diesem Jahr einen Preis bei der Ars electronica in Linz, unter besonderer Nennung von Rehbergs Produktion „Seven Tons For Free 2.1“ und dem genauso wie Rehberg gern die Claims von ziemlichem Krach und minimalen Grooves absteckenden Christian Fennesz und seinem Werk „Hotel Paral. Lel“.

Das vor gut sechs Jahren gegründete Label sieht sich nicht nur als ein Hort für experimentelle elektronische Musik, sondern gleich als Festplatte für alle Arten von Information und Kommunikation, die über neue wie alte Medien wie Vinyl, CDs, MiniDiscs, DVD, Internet transportiert werden. Und auch wenn man sich in Sachen Produktion und Vertrieb an die Gepflogenheiten des Business hält, sprechen das kürzlich eingerichtete Internet-Label Falsch (hyper music, mit Absicht!) und der Internet-Mail-order-shop M.Dos bestätigende Bände.

Darüber hinaus legt man bei Mego viel Wert auf großes Werk, Experiment und Langzeitwirkung, manche nennen es auch Kunst. Jedenfalls hat man keine Lust, „nur irgendwelches Futter für hoffnungslos modische DJs“ zu produzieren. Goldene Worte, die natürlich auch andere im Munde führen, doch Mego-Sounds sind in der Tat nicht clubkompatibel, verbrauchen sich nicht so schnell und wenn, dann völlig anders. Denn Improvisation heißt hier die Mutter vieler Knöpfchen, und die heute im Maria auftretenden Farmers Manual sind recht gute Repräsentanten des Mego-Sounds. Vorgefertigte DATs machen nur einen Teil ihrer Live-Sounds aus, zumeist lassen die drei Jungs lieber ihre Maschinen einfach drauflosspielen, um mal zu hören, was da so passiert. Das ist manchmal zwar übelster Free Jazz, hat dann aber auch wieder soviel knackige Momente, daß man auf der Tanzfläche einfach mitmuß. Und da macht dann auch die Bezeichnung, die Farmers Manual ihren Sounds gegeben haben Sinn: „Total automation vs. human interaction“.

Gerrit Bartels

Ab 22 Uhr im Maria, Straße der Pariser Kommune 8-11

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