: Nananana, nananana, hey, hey, good bye
■ Heimatkunde: James Last und die Brutstätte des Partysounds (1)
Die Jubelfanfaren zum 70. Geburtstag von James Last – Spiegel-Interview, Pro-7-Feature, eine eher nachsichtige Junge Welt – sind ja nun ausreichend lange verklungen, die angemessene Anstandspause mit dieser Frist also vorbei: Hohe Zeit daher, zu einem der wohl prägendsten Lebensabschnitte des Party-Königs ein paar Fragen aufzuwerfen: seinen Jahren auf der Heeresmusikschule I der deutschen Wehrmacht in Bükkeburg nämlich.
Kurz gestreift hat er sie im Spiegel-Interview ja selbst noch mal, fand auch anerkennende Worte für seine musikalischen Grundausbilder, immerhin erwähnt wurde auch der bereits in der „James-Last-Story“, seinem Mitt-70er-Memoirenband, dargestellte Sachverhalt, daß der damals gerade noch 15jährige „Hansi“ als jüngster Zögling des Instituts im Frühjahr 45 nicht mehr gegen die Briten bei Minden eingesetzt wurde, weil er dank seines Geburtsdatums um gut zwei Wochen am Stichtag fürs wehrfähige Alter vorbeischrammte (statt dessen also heim nach Bremen-Seebaldsbrück entlassen wurde, wo er dann Tage später auch stark hinkend ankam – beim Aufspringen auf den Zug hatte er sich auf dem Bückeburger Bahnhof den Fuß verknackst).
Weitergehende Einlassungen fanden sich im Geburtstags-Interview aber nicht. Genau wie in der von Ghostwritern seinerzeit mausetot frisierten „Story“, wo außer ein paar allgemeinen Eindrücken (der Drill sei zackig, die Enge in Schlaf- und Waschsaal recht unangenehm gewesen, für ein paar Swing-Improvisationen auf dem Klavier habe er einen Rüffel eingefangen) kaum Konkretes erwähnt wird, kam man auch diesmal wieder schnell vom Thema ab.
Eine sehr viel packendere Milieu-Studie gibt's jedoch an anderer Stelle – die Spiegel-Frager hätten Last bei der Gelegenheit ruhig mal damit konfrontieren können: In den Erinnerungen des zumindest als Vater Kempowski noch allgemein geläufigen komischen Schauspielers Karl Lieffen. Und der – sein kürzliches Ableben hat der zeitgleich verstorbene Günter Strack buchstäblich unter sich begraben – wurde in Sachen Bückeburg ungleich deutlicher.
Vier bis fünf Jahre früher dorthin geraten – sein Vater hatte seinerzeit im Teplitz-Schönauer Anzeiger ein Inserat gelesen und sich sofort entschlossen, seinen damals noch als semisudetendeutscher Knabe Karl Lifka herumlaufenden Sprößling dort unterzubringen –, schildert Lieffen die Bahnfahrt quer durchs großdeutsche Reich, Eintreffen und Aufenthalt in Bükkeburg als einzigen Alptraum: Kaum 13jährig, hatte ihn sein Vater via Bodenbach – Dresden –Halle – Leipzig – Magdeburg –Braunschweig –Hannover seinerzeit dort abgeliefert, in der Hoffnung, seinen schwierigen Karl dereinst als schmissig zurechtgetrimmten Armeekapellmeister mit Lebensstellung zurückzubekommen. („In Bückeburg hält der Führer immer das Erntedankfest ab. Schön, daß du dort hindarfst.“)
Während der Fahrt hatte er auch immer wieder eine Möglichkeit gefunden, „jedem neu eingestiegenen Fremden, ob er wollte oder nicht, meine Lebensgeschichte zu erzählen, um ihn schließlich davon zu überzeugen, welch herrlicher Zukunft ich wohl nun entgegenführe“. Und er hatte, um das Geld fürs Zugrestaurant zu sparen, vorher ausreichend Hasenbrote eingepackt: „So war ich die ganze Strekke über nur zweimal auf der Toilette. Das eine Mal kotzte ich. Ich war nicht mehr Herr meiner Nerven. Mein Vater bemerkte nichts.“
Spätabends langten die zwei dann in Bückeburg an, nach einer schlaflosen Nacht in einem billigen Hotel ging's am nächsten Morgen zur Kaserne: „Mehrere Häuserblocks dahinter, und über dem Tor stand: Heeres-Musikschule Bückeburg. Das Verwaltungsgebäude links sah mehr aus wie eine Villa ... Ein Wachtposten meldete uns an, und wir landeten in einem Büro. Alles in Uniform. Ich wirkte wie ein Fremdkörper in meiner herausgewachsenen Kinderkleidung. Ich konnte nicht mehr mit meinem Vater sprechen. Ab jetzt waren wir nicht mehr allein. Mein Vater nahm immerzu Haltung an, wenn er mit dem Offizier sprach. Ja, er schlug dabei immer so merkwürdig die Hacken zusammen, als wolle er jeden Satz unterstreichen.
Ich sollte gleich in die sogenannte Kleiderkammer zum Einkleiden. Ich bekäme eine Ausgehuniform, wenngleich ich auch das erste Vierteljahr nicht auf die Straße unter Menschen dürfe, wurde mir bedeutet. Dazu eine Dienstuniform und Drillichzeug und alles was noch dazugehört. Vom Stahlhelm bis zu den Schnürschuhen nebst Gamaschen vom Gewehr bis zum Tornister, von der Gasmaske bis zum Brotbeutel. Meine Geige wurde zur Nebensache degradiert, und mein Hauptinstrument würde was zum Blasen sein, und die ,Kameraden' würden sich schon freuen auf mich. Der Unteroffizier wich nicht mehr von meiner Seite. Einmal noch drückte ich mich schnell und verschämt an die immer noch scharfen Bügelfalten von Vaters Hosenbeinen. Schnell drückte auch er noch einmal meinen Kopf an sich, und schon wurde ich weggeführt. Das Schließen jener letzten Tür war das jähe Ende meiner Kinderzeit.
Viel schlimmer als der nun einsetzende ,Kasernenbetrieb par excellence' mit Robben und Sprung auf! Marsch! Marsch! durch den Heidesand waren jedoch die Nächte: Ein Schlafsaal – 60 Mann. Betten übereinander. Wieder der Geruch wie im Käfig, und oft hatte man mich nachts verdroschen. Eine Meute fiel über einen her, zog einem das Bettlaken über den Kopf. Manchmal noch einen Eimer kaltes Wasser darüber, und dann das wilde Drauflosdreschen mit Koppelriemen, daß es nur so klatschte. ,Der heilige Geist' wurde diese Prozedur genannt. Auch Selbsterziehung hieß diese Selbstjustiz, war zugelassen, damit man in Reih und Glied blieb. Oft Tage und Nächte voller Angst.“
Einem „leisen, kultivierten“ Hauptmann, dem beim Chorgesang Jung-Lieffens „bemerkenswerter Sopran“ aufiel, besorgte ihm nach heimlichen Gesprächen außerhalb des Dienstes einen Prospekt über Stipendienmöglichkeiten der Staatsmusikschule für Musik und darstellende Kunst in Braunschweig. So daß Lieffen nur noch eine Frage bewegte: Wie hier wegkommen?
Christian Meurer
Wie ihm das gelang, und was das jetzt noch mit James Last zu tun hat, lesen Sie morgen
Wurden in einem Interview nur gestreift: Lasts Jahre auf der Heeresmusikschule I der deutschen Wehrmacht in Bückeburg Lieffens Vater hoffte, sein Sohn werde als schmissig zurechtgetrimmter Armeekapellmeister aus Bückeburg zurückkommen
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