: Finale mit Aschenputtel-Effekt
Das brasilianische Duo Adriana Behar/Shelda Bede gewinnt den Weltmeisterschaftstitel und bestätigt die amerikanische Übermacht im Beachvolleyball ■ Aus Marseille Oliver Camp
Wie bei einer Filmpreisverleihung ergingen sich die beiden Brasilianerinnen Adriana Behar und Shelda Bede in Dankesfloskeln, nachdem sie am Samstag mit ihrem Sieg im Weltmeisterschaftsfinale gegen Annett Davis und Jenny Jordan die panamerikanische Dominanz im Beachvolleyball fortgesetzt hatten. Die Besten der Welt in dieser Sportart kommen derzeit eindeutig aus Süd- und Nordamerika. Am deutlichsten ist diese Überlegenheit bei den Frauen sichtbar: Platz eins und vier für Brasilien, Platz zwei und drei für US-Teams.
Der Leistungsunterschied zwischen den nord- und südamerikanischen Teams und den übrigen Aktiven ist unter anderem mit den finanzstarken nationalen Spielserien zu erklären, die mehrere Dutzend Profispielerinnen und -spieler ernähren. In Brasilien existiert seit mehr als zehn Jahren eine gewerbliche Beachvolleyballszene, die den Aktiven im europäischen Winter Spielpraxis auf hohem Niveau bietet. Eine eigenständige Runde existierte auch in den USA, bevor die Tournee der AVP im Vorjahr wegen „Fehlmanagements“ (Kiraly) und Sponsorenrückzugs zusammenkrachte. Der Neuaufbau ist kompliziert, denn Spielserien auf der Nordhalbkugel führen zu Terminproblemen, weil die Anzahl der Sommerwochenenden begrenzt ist.
Die WM, bei der es neben der Olympia-Qualifikation insgesamt 600.000 US-Dollar an Preisgeldern zu gewinnen gab, wurde erstmals in Europa ausgetragen, und das Damen-Endspiel am Strand von Marseille bot nicht nur pakkenden Sport, sondern auch ein Aschenputtel-Klischee mit 100 Prozent „amerikanischem Traum“: Annett Davis und Jenny Jordan haben sich vor zwei Jahren als erstes und einziges afroamerikanisches Team der Szene zusammengetan. Die beiden 26jährigen spielten gemeinsam auf der Universität von Los Angeles (UCLA) Hallenvolleyball und beschlossen dann, ihren Lebensunterhalt am Strand zu erarbeiten. Zuerst mühten sie sich vergeblich in der Qualifikation zu Welt-Turnieren, im letzten Jahr errangen sie einen neunten und dann einen siebten Rang. Beim letzten Turnier vor der WM im kanadischen Toronto konnten sie schon einen erstaunlichen dritten Platz erreichen. Nach scheinbar sicherer 10:7 Führung verloren Davis/Jordan am Samstag zwar noch mit 10:15 gegen die brasilianischen Königinnen des Sandes, rücken aber in der Weltrangliste von Nummer 60 zu Jahresbeginn auf Position 6 vor.
Behar/Shelda, unangefochtene Nummer 1 der Weltrangliste, waren in allen 26 Turnieren der Weltserie seit 1996 im Halbfinale und haben 18 Turniere als Siegerinnen beendet. Die Bronzemedaillen erhielten Liz Masakayan, die College-Trainerin von Davis/Jordan, und ihre Partnerin Elaine Youngs, nachdem die Weltranglistenzweiten Sandra Pires und Adriana Samuel wegen Verletzung nicht antreten konnten. Die amerikanische Dominanz im Herrenbereich ist weniger deutlich, was sich daran zeigte, daß zwei europäische Teams bis zum Halbfinale mit druckvollem Strandvolleyball begeistern konnten: Bosma/Diez aus Spanien und die Brüder Martin und Paul Laciga aus der Schweiz. Letztere verhalfen im Viertelfinale der 40jährigen Volleyball-Ikone Kirch Kiraly, dem Olympiasieger, und seinem Juniorpartner Adam Johnson mit 17:15 zu einem plötzlichen und überraschenden Turnierende.
Dennoch könnten Brasilien und die USA die ersten zwanzig Plätze der Weltrangliste komplett untereinander aufteilen, wenn der Internationale Volleyballverband (FIVB) mehr als drei Teams pro Nation in der Weltserie zulassen würde. Dies geschieht aber nicht, denn der listige und einflußreiche mexikanische FIVB-Präsident Ruben Acosta weiß, daß die Weltserie sich nur dann global vermarkten läßt, wenn Akteure aus unterschiedlichen Nationen teilnehmen. Da in Deutschland die am zweithöchsten dotierte Strandserie der Welt ausgespielt wird, ist eine Voraussetzung für den Durchbruch hierzulande vorhanden, doch Volleyball in Deutschland hat es schwer, weil sich andere Sportarten in der Beliebtheitsskala vordrängeln.
In Marseille spielten die Teams aus Deutschland bei der Medaillienvergabe keine Rolle: Ulrike Schmidt/Gudula Staub wurden mit einer tollen Leistung aber immerhin Fünfte, Maike Friedrichsen/Danja Müsch Siebte. Bei den Männern belegten Jörg Ahmann/Axel Hager nach beeindruckendem Abschlußspiel Platz 13.
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