Das serbische Regime wird nervös

■ 30.000 demonstrieren in Nis für und mit Vuk Draskovic. Die Anführer Proteste im ganzen Land werden als „Verräter“ diffamiert

„Im Namen der serbischen Nation verlange ich von den Menschen, die seit zehn Jahren diesem Land nichts als Leid, Kriege und Armut bringen, sich in die politische Vergangenheit zu begeben, damit wir endlich unsere Zukunft aufbauen können!“ Dies sprach der charismatische Oppositionsführer Vuk Draskovic, der bis vor kurzem noch selbst mit in der Regierung von Slobodan Miloševic saß, am Samstag in der serbischen Provinzstadt Niš vor rund 30.000 Bürgern.

Die Menschen klatschten begeistert, riefen berauscht „Vuk! Vuk!“ und forderten den sofortigen Rücktritt des jugoslawischen Präsidenten, Slobodan Miloševic. Draskovic' Anhänger scheuten nicht den Weg aus umliegenden Städten und Dörfern um den Worten des temperamentvollen Politikers zu lauschen.

Und der Chef der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ (SPO) enttäuschte sie nicht, mit heißblütigen Reden klärte er das Volk über die „Lügen“ des international isolierten und verachteten Regimes auf, das behaupte, Serbien könne allein den Wiederaufbau nach den Luftangriffen der Nato schaffen. „Diese Menschen dürfen nicht einmal auf den Boden Westeuropas schreiten!“ rief Draskovic, denn auf ihnen würde ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen lasten. Serbien und Jugoslawien bräuchten dringend eine Expertenregierung, die die Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft aufbauen, die Verhältnisse zwischen Serbien und Montenegro in der Föderation regeln und freie, demokratische Wahlen nach den Prinzipien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorbereiten würde.

Unmittelbar vor Draskovic' Massenkundgebung blockierten etwa 100 Reservisten eine Straße im Zentrum von Niš und forderten erneut den ausstehenden Sold für die im Kosovo während der Luftangriffe der Nato verbrachte Zeit. Sollten sie in wenigen Tagen nicht ausgezahlt werden, würden sie in Hungerstreik treten.

Zwar ist die Opposition immer noch zerstritten, doch es brodelt gefährlich in ganz Serbien. Die Vertreter des serbischen Regimes wirken unter dem Druck der fortwährenden Massenproteste verschiedener Allianzen, Parteien und Bürgerorganisationen sichtlich verunsichert und nervös. Der serbische Parlamentspräsident, Dragan Tomic, bezeichnete die Oppositionsführer Zoran Djindjic (Demokratische Partei), Nebojsa Covic (Demokratische Alternative), und Vuk Obradovic (Sozialdemokratische Partei), aber auch den Anführer der Kosovo-Serben, Momcilo Trajkovic, und sogar den Erzbischof von Kosovo, Artemije, als „Verräter“.

Generaloberst Nebojsa Pavkovic, der das Kommando über die einst im Kosovo stationierte Dritten Armee hat, beteuerte drohend: „Die Armee unterstützt kompromißlos alle staatlichen Institutionen und ihre legal gewählten Vertreter!“ Und zwar die niedrigsten Funktionäre genauso, wie den Präsidenten und obersten Befehlshaber Jugoslawiens, Miloševic.

Andrej Ivanji, Belgrad