piwik no script img

Kongolesen können erstmal bleiben

■ Kieler Innenminister hat Abschiebungen in afrikanisches Land per Weisung gestoppt

Kaum lag das Waffenstillstandsabkommen zur Unterschrift bereit auf dem Verhandlungstisch, wurden die Behörden in Schleswig-Holstein aktiv: Über 50 KongolesInnen erhielten Mitte Juli die Mitteilung, daß sie binnen vier Wochen in den Kongo ausreisen müßten. Das Landesinnenministerium stoppte gestern die Abschiebewut insbesondere der Städte Pinneberg, Kiel und Lübeck. Innenstaatssekretär Hartmut Wegener hat die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte gebeten, von Abschiebungen in die Demokratische Republik Kongo abzusehen, bis ein aktueller Lagebericht des Auswärtigen Amtes vorliegt.

Seit Jahren herrscht im ehemaligen Zaire Bürgerkrieg. Die Rebellenbewegung „Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Zaire (AFDL)“ nahm im Herbst 1996 den Kampf gegen Diktator Mobutu Sese Seko auf, der im März 1997 zu dessen Sturz führte. AFDL-Führer Laurent-Desire Kabila rief die „Demokratische Republik Kongo“ aus und erklärte sich zum Präsidenten. Frieden brachte der Machtwechsel indes nicht. Im Frühjahr 1998 kam es zum Bruch Kabilas mit ehemaligen Anhängern, der Krieg entflammte erneut zwischen den auch aus Ruanda und Uganda stammenden Rebellenbewegungen sowie der Regierung, die von Simbabwe, Angola und Namibia unterstützt wurde.

Am 10. Juli sollte dann ein Friedensabkommen für den Kongo unterzeichnet werden. Die Staatschefs der beteiligten Länder unterschrieben auch. Nicht hingegen die Rebellen. Dennoch teilten die Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein den dort lebenden Kongolesen nur wenige Tage später mit, daß für sie nun Tickets für den Flug in das zentralafrikanische Land gebucht seien. Von Hamburg aus sollten sie über Amsterdam in den Kongo gebracht werden.

Dabei soll nach Aussagen von Martin Link, dem Sprecher des „Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein“, der Bundesgrenzschutz (BGS) nicht mitgespielt haben. Unter Verweis auf Lageberichte des Auswärtigen Amtes habe der es abgelehnt, Flüchtlinge in das Bürgerkriegsland zu begleiten. Woraufhin das Innenministerium beim Auswärtigen Amt um eine aktuelle Einschätzung gebeten hat. Bis diese vorliege, so das Ministerium in einem Schreiben an die beteiligten Ausländerbehörden, mögen diese bitte von Abschiebungen absehen.

Über 600 Kongolesen leben in Schleswig-Holstein. Ausreisepflichtig sind 130. In Hamburg sind derzeit 27 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland zur Ausreise verpflichtet. Die Hansestadt bereite derzeit jedoch keine Abschiebungen vor, versicherte gestern Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal. Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen