: „Das ist Reinhard Klimmt pur“
■ Der Thüringer SPD-Spitzenkandidat und Innenminister Richard Dewes mißbilligt den Brandbrief von Ministerpräsident Klimmt: „Wir sollten uns nicht auf Kosten der eigenen Freunde profilieren.“
taz: Lafontaine, Klimmt ... Herr Dewes, Sie kommen auch aus dem Saarland. Gehören Sie auch zu den störrischen Linken, die Schröders Thesen ablehnen?
Richard Dewes: Ich vertrete die Interessen der Thüringer SPD. Die hat klar Position für Schröders Kurs bezogen – Stichwort Sparpaket. Es ist richtig, daß notwendige Einschnitte gemacht werden. Es ist ebenfalls richtig, die sozialen Sicherungssysteme zu modernisieren. Dazu muß die SPD, die so geschlossen in die Bundestagswahl gegangen ist, in geschlossener Formation diese schwierige Prozedur durchexerzieren.
Modernisierung? Klimmt nennt das einen „Kampfbegriff“.
Das ist kein Kampfbegriff. Modernität ist kein Gegenbegriff zu den Grundwerten der Sozialdemokratie. Wir sind gemeinsam – auch Reinhard Klimmt – in den Bundestagswahlkampf gezogen unter der Überschrift von Innovation und Gerechtigkeit. Diese Symbiose jetzt zu schaffen, ist die Herausforderung. Das Schröder/Blair-Papier habe ich als Anstoß emfpunden für die Programmdiskussion. Mehr sollte es auch nicht sein. Wir sollten nicht der Versuchung erliegen, auch nicht in der Wahlkampfzeit, uns auf Kosten der eigenen Freunde in der SPD zu profilieren.
Klimmt möchte sich aber offenbar von Schröder distanzieren. Sie nennen das Profilierung auf Kosten anderer. Machen Sie nicht Ihrem Kollegen Klimmt den Wahlkampf kaputt?
Ich habe auch eine Landtagswahl am 12. September. Die Versuchung ist natürlich groß, sich vom Bundeskanzler zu distanzieren, um mehr an Gewicht zu gewinnen. Ich halte es für falsch, da es die Partei auseinandertreibt. Das können wir uns gerade in einer so schwierigen Situation der Bundesrepublik nicht leisten.
Sie stärken also dem Kanzler den Rücken. Haben Sie Angst, daß er Ihnen sonst ein paar schöne Wahlkampfauftritte absagt?
Nein, hier geht es nicht um Rücksichtnahmen. Wir führen unseren Wahlkampf landesbezogen. Bundespolitik spielt als Rahmen eine nicht unwichtige Rolle. Wir haben aber auch eine Gesamtverantwortung. Es ist wichtig, daß wir diejenigen, die in der Bundesregierung eine außerordentlich schwierige Arbeit zu machen haben, nicht alleine lassen.
Einige in der SPD sagen: Wenn Klimmt den Mund aufmacht, kommt nur Lafontaine raus?
Nein. Klimmt ist ein eigenständiger Kopf. Das, was er gesagt hat, ist Reinhard Klimmt pur, und so sollte man auch damit umgehen.
Hat „Klimmt pur“ das Zeug, wie Lafontaine der große Gegenspieler von Schröder zu sein?
Ich habe den Eindruck, daß Klimmt ein guter saarländischer Ministerpräsident ist und bleiben will. So kenne ich ihn, und ich denke, das sind seine persönlichen Perspektiven.
Schuster, bleib bei deinen Leisten?
Ich bin sicher, daß das, was er zur Zeit sagt, verdeckt ist durch die landespolitische Situation, durch die Situation der Saar-SPD und dabei sollte man es auch belassen.
Ihr Kollege Höppner aus Sachsen-Anhalt sagt, einen schlanken Staat könnten sich möglicherweise nur Reiche leisten. Und Sie wollen mit dem Schröder/Blair-Papier punkten?
Das Papier ist kein Handwerkszeug, mit dem man in der Politik operieren kann. Die Menschen können allenfalls mit der Überschrift etwas anfangen: Sie wissen, wer Blair und Schröder sind. Den Menschen ist es wichtig, daß der Staat modernisiert wird und daß andererseits das soziale Netz nicht beschädigt wird.
Dann ist es ja ein Glück, wenn das Papier kein Handwerkszeug für die Wähler ist, wie Sie sagen. Dann werden die die Gerechtigkeit nicht so vermissen wie Klimmt.
Die Menschen verbinden soziale Gerechtigkeit eher mit ihrem Einkommen, damit, wie sie abgesichert sind oder wie die Gesundheitsversorgung ist. Die SPD-Programmatik besteht nicht aus Papieren. Das wissen die Menschen auch. Interview: Georg Löwisch
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