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Mietpreise lassen sich doch senken

■ Die Alternative zum Umzug in die billigere Wohnung: Mit dem Vermieter über eine Preissenkung verhandeln bringt zur Zeit vielfach Erfolg / Bremer Erfahrungsberichte

Die Mietpreise auf dem Bremer Wohnungsmarkt stagnieren. „Für unsere abgewohnte Wohnung im Viertel, 12 Mark der Kaltmeter, findet der Vermieter seit drei Monaten keine Nachfolger. Jetzt geht er sogar mit der Miete runter“, sagt Ex-Mieter Nikolai Wolff. Mit dieser Entscheidung liegt sein Vermieter im Trend. Immer häufiger allerdings erreichen sogar Mieter eine Preissenkung, obwohl sie noch an den alten Vertrag gebunden sind. Am ehesten freilich geschieht dies dann, wenn sie verhandeln.

„Unser Vermieter war ganz einsichtig“, berichtet beispielsweise Fritz Kunkel*. Die Neustädter Etagenwohnung, fünf Zimmer-Küche-Bad-„Salon“, war der vierköpfigen Wohnbelegschaft zu teuer geworden, nachdem der bestverdienende Mitbewohner nach Spanien ausgewandert war. „Wir lagen bei einem Mietpreis bei 10,50 Mark pro Quadratmeter. Für den Preis von 590 Mark warm für das freigewordene Zimmer haben wir keinen Nachfolger gefunden“. Nachdem auch zweimonatiges Inserieren nur eine magere Ausbeute an unpassenden InteressentInnen gebracht hatte, ließ der Vermieter sich schließlich auf neun Mark 50 Mark pro Kaltmeter runterhandeln. „Mit uns ist er doch gut bedient. Eine Familie könnte das nie zahlen. Wir kommen immer noch auf 2.200 Mark warm“, rechnet Fritz nüchtern vor. „Wir hätten sonst gekündigt.“ Dabei schätzt er die Bereitschaft des Vermieters, mit sich reden zu lassen. Demnächst soll es weitergehen – diesmal über eine Son-nenterasse. Mittlerweile hat er auch von anderen WGs gehört, die mal mehr mal weniger erfolgreich Mietpreise in Verhandlungen gedrückt haben.

Den Mietpreis nachverhandeln wollten auch Monika und Sebastian Karlsen*. Sie waren durch Nachbarn darauf gebracht worden, die auf der selben Etage gegenüber auszogen, weil ihnen die Wohnung zu teuer war. Sebastian Karlsen rechnete nach, verglich Verbraucher-Magazine und Übersichten deutschlandweiter Mietvergleiche. Seine Bilanz: 14 Mark kalt pro Quadratmeter für eine Etagenwohnung in Huckelriede ohne besonderen Komfort – das ist wirklich zu teuer. Doch die Vermieterin des Akademiker-Paares wollte nicht nachgeben. Eine entsprechende schriftliche Anfrage ihrer MieterInnen ließ sie einfach unbeantwortet – vielleicht im Glauben, das Paar würde aus dem teuren Zeitmietvertrag, der noch mehrere Monate Geltung hatte, nicht aussteigen. „Erst als wir dann gekündigt haben, wollte sie doch noch ein bißchen mit der Miete runtergehen“, lacht Sebastian. „Aber da war es schon zu spät – und außerdem war ihr Angebot viel zu schlecht.“

Wie schlecht das Angebot von 13 Mark pro Quadratmeter der Vermieterin wirklich war, das erfuhren Monika und Sebastian Karlsen allerdings nur per Zufall – im Gespräch mit den Mietern des Mittelgeschosses. Die langjährigen Mittel-Mieter im sechs-Parteien-Haus hatten erst vor wenigen Jahren erfolgreich gegen eine überhöhte Mietsteigerung geklagt. Der gerichtlich bestellte Gutachter hatte den Quadratmeterpreis damals auf 10 Mark 80 taxiert – „und dabei schon die Nähe zum Erholungsgebiet Werdersee und zur Straßenbahn positiv, also preissteigernd berücksichtigt“, lästert Sebastian Karlsen.

Er zahlte zum Zeitpunkt des Gutachtens bereits vier Mark 40 pro Quadratmeter mehr – ohne daß seine Wohnung besser ausgestattet gewesen wäre. Hätte er das geahnt, wäre er sicher schon früher gegen die Vermieterin vorgegangen, sagt er im Rückblick. „Da hätten wir ja quasi ein Gutachten über die Vergleichsmiete gehabt.“ Daß in Bremen kein Mietspiegel vorliegt, hätte ihn also nicht gestört – „sämtliche Nachbarn auch in umliegenden vergleichbaren Wohnhäusern zahlen schließlich weniger.“ Damit wäre er wohl vor Gericht gut durchgekommen. Doch Monika Karlsen wollte kein Gerichtsverfahren – nur für das Problem des Zeitmietvertrages schaltete das Paar schließlich die Anwältin ein.

Statt einer Klage wegen Mietwucher bot die Anwältin den Vergleich an: Die Mieter wollten angesichts der jahrelang überteuerten Mietforderungen für die letzten zwei Vertragsmonate des Zeitmietvertrages nicht zahlen, ebensowenig für die Renovierung der Wohnung. Nach langem Hin und Her – von der Rechtschutzversicherung getragen – ließ die Vermieterin sich auf das Vergleichsangebot ein. „Da hat sie wohl jemand gut beraten“, sagt Sebastian Karlsen. „Wir wären sonst wegen der ganzen Geschichte doch noch vor Gericht gezogen.“

Mittlerweile ist das Paar in einer neuen Wohnung: Altbau in Schwachhausen, mit Balkon und Parkettfußboden, 11 Mark 60 pro Quadratmeter Kaltmiete. „Wir sind schon bereit, eine ordentliche Miete zu zahlen“, sagt das Paar. „Aber eben nicht für alles.“

Der Streit mit der ehemaligen Vermieterin geht unterdessen in eine neue Phase: Das Deponat von 1.800 Mark ist – entgegen einer justiziablen Zusicherung der Vermieterin – noch nicht bei den Ex-Mietern eingetroffen. „Ich habe heute einen Mahnbescheid beantragt um unser Deponat wieder zurück zu bekommen“, sagt Sebastian Karlsen. Neulich fuhr er am alten Wohnhaus vorbei: „Da sind mittlerweile alle Parteien ausgezogen“, berichtet er. Vier Wohnungen in dem Objekt stehen derzeit leer. Eine fünfte ist frisch vermietet. „So ist das, wenn man zuviel Miete will“, lacht er. „Dann nehmen die Mieter loffenbar lieber den Umzug in Kauf.“

ede

* Namen geändert

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