: Beim Proporz kommt Bremerhaven zu korz
■ Bremerhaven geht leer aus: Senat schmiß Magistrats-Vertreter im Aufsichtsrat der Bremer Lagerhaus Gesellschaft kurzerhand raus / Senator Hattig kam dafür
Manfred Richter, Oberbürgermeister Bremerhavens, ist richtig sauer: Gefeuert wurde der Vertreter des Bremerhavener Magistrats im Aufsichtsrat der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG), Burghard Niederquell (CDU). „Der Magistrat der Stadt Bremerhaven wird nun auf Presseberichte angewiesen sein, wenn er sich ein Bild von der Weiterentwicklung der innerhalb Bremerhavens gelegenen Häfen machen will“, schreibt Richter in einem bösen Brief an Henning Scherf. Mit der Senatsentscheidung, Niederquell rauszuschmeißen, habe man eine „jahrzehntelang geübte Praxis beendet“, wonach der Magistrat im Aufsichtsrat vertreten sei.
Von einem „unglaublichen Vorgang“ spricht sogar die Grüne Opposition in Bremerhaven. In der Vergangenheit hatten die Grünen Niederquell zwar auch schon mal „Untätigkeit“ vorgeworfen und seine Abwahl als Dezernent gefordert. Aber der scharfe Protest von Richter wird von den Grünen „unterstützt“ – schließlich geht es jetzt um die Präsenz Bremerhavens in der BLG. „Wir erwarten vom Bremer Senat umgehend eine Erklärung zur Abberufung Niederquells“, sagt Hans-Christian Scherzer, Sprecher der grünen Stadtverordnetenfraktion in der Seestadt.
Am 19. Juli hatte der Senat die Neubesetzung des Aufsichtsrates beschlossen, wie jetzt durch die Kritik Richters bekannt wurde. Bei vier von 16 Aufsichtsräten hat der Senat ein Vorschlagsrecht, das später von der Hauptversammlung der BLG abgesegnet wird – die nächste Versammlung ist für Frühjahr 2000 anberaumt. Bisher waren neben Niederquell der Ex-Hafensenator Uwe Beckmeyer (SPD), Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) und ein DB-Cargo-Vertreter auf SPD-Ticket für den Senat vertreten. Ausgewechselt wird jetzt lediglich Niederquell gegen den neuen Häfensenator Josef Hattig (CDU).
Die Entscheidung gegen Niederquell „kontrastiert gar zu sehr mit den wohlfeilen Bekenntnissen des Senats zu Bremerhaven, die in allerlei Sonntagsreden und -interviews zu vernehmen sind“, beschwert sich Oberbürgermeister Richter nun bei Scherf. Scherf will derzeit dem Bremerhavener SPD-Fraktionschef Jörg Schulz einen zweiten Job als „Bremerhaven-Beauftragter“ zukommen lassen. In der Nordsee-Zeitung ließ Scherf gar verlauten, er wolle am liebsten seinen Arbeitsplatz nach Bremerhaven verlegen. All die öffentlichen Bekundungen der großen Koalition zur Stärkung Bremerhavens seien Makulatur, sekundiert jetzt auch der Grüne Scherzer.
Kritisiert wird auch, daß die Neubenennung im Handstreich geschah: Aus dem Magistrat wurde offenbar niemand informiert, daß ein Wechsel bevorsteht. „Keine vorherige Konsultation, keine mündliche Information über die Absicht, keine telefonische Absprache“, beschwert sich Richter. Magistrats-Sprecher Wilfried Moritz faßt zusammen: „Bei uns wird das als starkes Stück empfunden“.
Letztendlich scheiterte Niederquell am Proporz: Sowohl die CDU als auch die SPD beansprucht zwei Entsendete in das Gremium. Weil mit der Wahl das Häfenressort von der SPD zur CDU gewechselt ist, gibt es allerdings ein Problem: Hattig beansprucht als Senator einen Sitz im Aufsichtsrat, Perschau als Finanzler auch. Der CDUler Niederquell muß also ersetzt werden.
Christoph Dowe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen