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Hier rutscht nichts durch

Am Seemanshöft ermittelt die Wassergütestelle Elbe die Schadstoff- und Giftfracht des Flusses. Es ist die einzige Mess-Stelle weit und breit, die dazu geeignet ist  ■ Von Gernot Knödler

Dem „Tümmler“ müssen heute alle ausweichen. Das Meßschiff der Wassergütestelle Elbe hat die schwarze Kugel, den Rhombus und nochmal die schwarze Kugel überm Führerhaus aufgezogen. Unmissverständlich signalisiert es damit, daß die Arbeit seiner vier Männer und Frauen starken Besatzung Vorrang hat vor dem Schiffsverkehr in der Fahrrinne.

Denn die Mess-Ergebnisse des Tümmlers sind von internationaler Bedeutung: Alle Zahlen über die Giftfracht, die die Elbe in die Nordsee spült, stammen aus den 26 Proben, die der kleine Messtrupp auf Höhe der Lotsenstation übers Jahr aus dem Strom schöpft. „Es gibt keine andere Mess-Stelle dafür“, sagt Michael Bergemann von der Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe (Arge Elbe), in der die drei norddeutschen und die ostdeutschen Länder ausser Berlin und Thüringen vereint sind. Die Daten werden dem Sekretariat der Oslo-Paris-Konvention zum Schutz der Nordsee in London gemeldet und dienen als Basis etwa für Nordseeschutz-Konferenzen.

Auf der Seite der Lotsenstation läßt Bergemann über einen kleinen Galgen das erste Probengefäß zu Wasser: Glas- oder Plastikflaschen mit zwei Röhrchen im Deckel. Die Röhrchen sind durch einen Schlauch verbunden und wenn die Flasche in der gewünschten Tiefe angelangt ist, zieht Bergemann per Reißleine den Schlauch von einem der Röhrchen. Durch den Stummel strömt Elbwasser in die Flasche, durch den Schlauch blubbert die Luft hinaus. Nach 45 Sekunden ist die Flasche voll.

An zwei Stellen links und rechts der Fahrrinne nehmen Bergemann und seine KollegInnen alle vierzehn Tage Proben in 15, 8 und einem Meter Tiefe. Auf diese Weise erhalten sie ein repräsentatives Bild vom Elbquerschnitt auf Höhe des Seemannshöfts. Dazu addieren sie die unterhalb Hamburgs in den Strom fließenden Gifte aus Nebenflüssen und Fabriken, multiplizieren das Ganze mit den ungefähr 700 bis 1700 Kubikmetern Wasser, die pro Sekunde gen Nordsee strömen, und wissen am Ende, welche Mengen unappetitlicher Chemikalien mit dem Strom schwimmen.

Zwar hat die Belastung der Elbe seit der Wende kontinuierlich abgenommen. Trotzdem liegt sie nach Auffassung der Elbanrainer-Bundesländer bei vielen Stoffen noch viel zu hoch: So hat sich zum Beispiel der Stickstoffeintrag, der zur Überdüngung des Meeres führt, seit Mitte der 80er Jahre nicht wesentlich verändert.

Die Konzentrationen von Quecksilber und des Insektenvernichtungsmittels Lindan haben sich zwar verringert. Noch immer liegen sie jedoch weit über den Werten anderer Flüsse. 1995 haftete an den Schwebstoffen der Elbe zehnmal mehr Quecksilber als an denen des Rheins.

Schließlich treiben pro Jahr 250 Kilo der gefährlichen Organozinnverbindungen, die in Schiffsanstrichen den Algenbewuchs von Schiffsrümpfen verhindern sollen, ins Meer. Die Weibchen einer Schneckenart verwandelte dieser Stoff in Männchen. Alternative Anstriche gibt es schon heute. Ab 2003 dürfen Schiffe nicht mehr mit solchen Farben angemalt werden.

Am Anleger in Finkenwerder gießen die Chemielaborantin Nicole Niemeier und der Decksmann Horst Mielke die sechs unterschiedlichen Proben in Mess-Zylinder und mixen daraus Gesamtproben. Das verringert den Analyseaufwand. Ohnehin beträgt die Messdifferenz zwischen den Proben rechts und links des Fahrwassers nur fünf Prozent. „Hier rutscht uns nichts durch“, sagt Bergemann.

Ganz anders hinter Hamburg: Dort wird die Elbe schnell breiter, was das Ziehen repräsentativer Proben erschwert. An der Mündung bei Cuxhaven wären die Proben zudem zu mehr als 70 Prozent mit Salzwasser verdünnt.

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