: Luftnummer Luftkreuz Berlin
■ Oberlandesgericht Brandenburg beurteilt Vergabeverfahren für Berliner Großflughafen als teilweise rechtswidrig. Urteil könnte das geplante Luftdrehkreuz um Jahre verzögern
Berlin (taz) – Völlig überraschend ist das größte Infrastrukturprojekt Europas vorläufig gestoppt worden. Das Oberlandesgericht Brandenburg/Havel hat die Privatisierung der Berlin Brandenburg Flughafenholding (BBF), die alle drei Flughäfen der Hauptstadt betreibt, als teilweise rechtswidrig eingestuft. Damit ist die Privatisierung der BBF zunächst einmal verhindert. Sie sollte 635 Millionen Mark in den leeren Stadtsäckel spülen. Investitionen von 6 Milliarden Mark in Schönefeld für den geplanten Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) sind jetzt zumindest verzögert.
Das Oberlandesgericht hatte mit seinem Urteil einer Beschwerde der im Vergabeverfahren unterlegenen Bonner Investorengruppe IVG stattgegeben. Nach dem Spruch des Gerichts können sich jedoch beide Investoren wieder um den Erwerb der BBF und den Bau des Drehkreuzes bewerben.
Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts sah in erster Linie vier Hauptfehler bei der Privatisierung der hoch verschuldeten BBF: Zum einen kritisierte er, dass Berlins Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) ein „Doppelmandat“ besitze, da sie sowohl Mitglied des Aufsichtsrats der Holding ist als auch im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft Berlin sitzt – die aber dem Konsortium um Hochtief angehört. Zum zweiten habe es Mängel bei der Ausschreibung der technischen Mindeststandards für den geplanten Großflughafen gegeben; sie seien nicht klar genug ausgeschrieben worden. Schließlich bemängelte das Gericht, dass der Eindruck entstehen konnte, als habe es über das Wirtschaftsberatungsbüro WIB, das die Großflughafen-Planungsgesellschaft PPS beraten hatte, über Verträge Verbindungen zum Konsortium um Hochtief gegeben. Zudem habe die IVG-Investorengruppe bis zur Vertragsunterzeichnung mit Hochtief Ende März Nachteile dadurch erlitten, dass das Ausschreibungsverfahren nicht ausreichend öffentlich dokumentiert worden sei.
In der Hauptstadt sind die Folgen der Entscheidung umstritten. In Berliner Koalitionskreisen hieß es, dass es nun darauf ankomme, dass die PPS schnell einen eigenen groben Rahmen für das Planfeststellungsverfahren bis zum Jahresende einreiche. Die Details könnten dann vom endgültigen Investor nachgereicht werden. Würde dies nicht klappen, fiele das geplante Drehkreuz nicht mehr unter das Verkehrswegebeschleunigungsgesetz, das den Rechtsweg für große Verkehrsprojekte verkürzt. Dann könnte sich der Großflughafen um Jahre verzögern – ursprünglich sollte er im Jahr 2007 in Betrieb gehen.
Sollte die PPS jedoch bis Jahresende mit den Unterlagen fertig werden, könnte die Verzögerung lediglich ein paar Monate betragen. Wahrscheinlich aber ist schon jetzt, dass die beiden Landesparlamente Brandenburgs und Berlins erst nach den Wahlen im September und Oktober über neue Verträge abstimmen können. Was das für den Großflughafen heißt, ist kaum abschätzbar. Philipp Gessler
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