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■ Standhaftigkeit als Chiffre: Filme des britischen Künstlers Steve McQueen in Zürich
Filme von Steve McQueen sind Miniaturen. Eine Minute und fünf Sekunden dauert es, bis in „Exodus“ zwei ältere Männer mit Yucca-Palmen eine Londoner Straße überqueren, um schließlich in einen Bus zu steigen. Und auch in „Deadpan“ sieht man nur, wie vier Minuten lang die Holzwand eines Hauses über dem britischen Künstler niederstürzt. Wie vor ihm schon Buster Keaton in „One Week“ bleibt McQueen vom Unheil verschont, weil er genau unter der Fensteröffnung steht.
Der schnelle Slapstick bei Keaton wird in „Deadpan“ zur Studie über das Filmen selbst. Dutzendfach variiert McQueen Kameraeinstellungen und Bildausschnitte: Mal bricht die Wand vor seinen Füßen zusammen, mal huscht sie als dunkler Schatten über sein regloses Gesicht. Der Witz verwandelt sich in eine Übung und Meditation zu körperlicher Diszipliniertheit. Darin aber spiegelt sich McQueens Interesse an Identität wider. Die Standhaftigkeit als Chiffre im Diskurs von „black culture“: Der schwarze Künstler definiert den schwarzen Humor des weißen Kinos um. Für „Just above my head“ (Foto) sieht man lediglich McQueens Kopf, der im Anschnitt aus der Froschperspektive gefilmt an der unteren Bildkante, zu Füßen des Betrachters, längsmarschiert. Über ihm der weiße Himmel, davor der leere Projektionsraum. Man fühlt sich merkwürdig allein gelassen in diesem Konflikt zwischen abstrakter Fläche und Selbstbehauptung.
Tatsächlich ist die Handlung bei McQueen stets unmittelbar und eindeutig, der Kontext erschließt sich dagegen über ein dichtes Netz aus Referenzen: Die Herren mit den Palmen erinnern an eine Szene mit Marcel Broodthaers vor dem Kölner Dom, „Just above my head“ spielt auf die konstruktivistischen Fotografien Alexander Rodtschenkos an. Andererseits ist McQueens analytische Filmsprache von der Kunst des Barock geprägt, was Robert Storr im Katalog plausibel darlegt: „Die Barockmalerei ist die Kunst des Außergewöhnlichen, das als etwas Gewöhnliches abgebildet wird, der extremen Erfahrungen und exzentrischen Weltbilder, die dargestellt sind, als hätte der Maler sie einfach gesehen und nicht kunstvoll ersonnen.“ Im Englischen gibt es dafür die schmucklose, aber klare Formel: „What you see is what you get“. Die auf Video übertragenen Filme von Steve McQueen sind noch bis zum 15. August in der Kunsthalle Zürich zu sehen. hf
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