: Die Angst vor hohen Zivilstrafen
■ Swissair und Boeing wollen ihre Absturzopfer außergerichtlich entschädigen
Philadelphia/Zürich (AP) – Die erste Gerichtsanhörung im Fall des Swissair-Absturzes begann mit einer Überraschung. Ein Jahr, nachdem die Maschine wegen eines vollgequalmten Cockpits vor Kanadas Ostküste ins Meer gestürzt war, bot Swissair-Anwalt Desmond Barry gestern in Philadelphia überraschend einen Vergleich an.
„Das ist außergewöhnlich“, sagte der Hauptanwalt der Kläger, Lee Kreindler. Ob auch die Kläger zu einer außergerichtlichen Einigung bereit sind, stand zunächst nicht fest. Wie üblich betonten Swissair und Boeing, die Übernahme der Verantwortung stelle noch keine Schuldanerkennung dar. Doch man wolle die „berechtigten und rechtlich nachweisbaren Ansprüche“ zahlen.
Swissair-Anwalt Barry erklärte, nach so einer Vereinbarung müssten 167 Kläger ihre Forderung auf Geldstrafen fallen lassen. Außerdem sollten etwa 120 Fälle zur Regelung an französische oder Schweizer Gerichte verwiesen werden, da viele Passagiere aus diesen Ländern stammten. Offenbar fürchten die beiden beklagten Firmen die Neigung amerikanischer Gerichte zum Verhängen hoher Zivilstrafen.
Wie hoch die möglichen Entschädigungen ausfallen werden, stand vorerst nicht fest. Laut einem Unternehmenssprecher der Swissair seien die Versicherungen der Unternehmen aber bereit, den Schaden zu decken.
Die Kläger werfen Swissair und Boeinggrobe Fahrlässigkeit vor, und verlangen bislang 16 Milliarden Dollar. Diese Summe bezeichnete Swissair als Phantasiezahl.
Einige der Klägeranwälte kritisieren, die Swissair wolle Schmerzensgeldzahlungen vermeiden, da sie nur den finanziellen Schaden zu zahlen bereit sei. Hauptankläger Kreindler deutete aber an, dass viele der Fälle in den nächsten Monaten geregelt würden.
Beim Absturz der Swissair-Maschine vom Typ MD-11 des Herstellers McDonnell Douglas, der heute zu Boeing gehört, in der Nacht auf den 3. September 1998 vor Halifax kamen alle 229 Insassen ums Leben. Das Flugzeug war auf dem Weg von New York nach Genf. Ursache des Unglücks war ein Feuer an Bord, das zu starker Rauchentwicklung im Cockpit führte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen