: Schuldlos am Schlamassel?
■ Gebhard Dunkelgod redet sich um Kopf und rettet seinen Kragen
Glauben auch Sie ernsthaft, dass ein schmächtiger Brillenträger 500 Milliarden Dollar wert sein soll, während Burt Reynolds pleite ist? Daß ein einziges Office die Welt verwaltet, obwohl der Schreibtisch nur simuliert ist? Die von der UN vorgeschlagene Lösung, den E-Mail-Ramsch zu versteuern und sich generell „zu bessern“, könnte ein Silberstreif am Bildschirmrand sein. Wenn dem Programmzeilenschinder aus Braunau am Internet nicht Einhalt geboten wird, ist für uns bald gar kein Geld mehr übrig. Zaghaft funkelt endlich Selbstkritik in den Industrienationen auf. „Komplexe Systeme sind besonders anfällig“, lautet die einhellige Meinung. So weit, so wie. Aber wer nimmt Schweineabstürze und Computerpest auf seine Tarnkappe? Wer hat so große Hände, dass so viel Blut an ihnen kleben kann? Die Antwort suchten wir, und dies wird niemand überraschen, in Castrop-Rauxel.
Wir folgen einer verwackelten Kamera auf dem Plattenweg zu einem Verschlag, in dem Gebhard Dunkelgod haust. Ein Hund, der uns auf halbem Weg begegnet, lässt uns passieren. Zu groß seine Angst, in den Medien als Kampfhund abgestempelt zu werden; ohne Bestechung läuft jedoch auch bei ihm nichts. Wir sind in Castrop.
Dunkelgod lehnt im Türrahmen. Er wird den Hund entlassen müssen. Und uns vorher ein paar Fragen beantworten, denn sonst, so wir, würden „andere, dunkle Saiten aufgezogen“. Informantenschutz ist bei uns eben eine Wort- respektive Patronenhülse.
Als Dunkelgod ein wenig Luft geholt hat, passen wir ihm die Daumenschrauben an. Wir spüren, dass wir einen großen Fisch im Netz haben. Und wenn er so viel verbrochen hat, wie wir vermuten, könnte die Welt ohne ihn eine prima soziale Marktwirtschaft ohne Nebenwirkungen werden.
„Mit der Kolonialisierung hab ich nun wirklich nichts am Hut, ihr gemeinen Hundsfötte!“, lacht Dunkelgod, von der Wahrheitsdroge benommen, bevor er wieder auf Tauchstation muß. Im Gegensatz zu ihm sind seine Alibis enttäuschend abwasserdicht: Während des 18. und 19. Jahrhunderts war er durchgehend zu Hause. Wir ändern unsere Interviewstrategie, und siehe da, unter dem Bunsenbrenner taut Dunkelgod merklich auf. Ohne zu zögern gibt er zu, im Tauerntunnel einen Tanklaster zur Weißglut gereizt zu haben und die treibende Kraft hinter Carmen Nebel zu sein. An seine maßgebliche Beteiligung am Atom und „am Fernsehen generell“ kann er sich zunächst zwar nicht erinnern, aber wir haben unseren Proust gründlich überflogen: Ein Happen in „All Bright“-Scheuermilch getunkte Madeleine, und schon ersteht vor Dunkelgods innerem Veilchen ein Schauerkabinett aus begangenen und noch zu begehenden Schandtaten auf. Unser Diktiergerät läuft heiß.
Man muß die Geständnisse feiern, wie sie fallen, doch Dunkelgods Schampus bleibt uns im Hals stecken. Seine allzu bereitwillige Kooperation nährt den Verdacht, daß er jemanden deckt. Ein Blick in seinen Aktenvernichter spricht Bunte: Die wahren Schuldigen könnten auch die drei apokalyptischen Deuter Winfried Noé, Elisabeth Teissier und Paco Rabanne sein, die in der Reich-&-hässlich-Postille in aller Gemütsruhe ihre finsteren Machenschaften ausbreiten. „Top-Astrologe“ Noé droht als Mann fürs Grobe mit „plötzlichen kriegerischen Handlungen oder internationalem Terrorismus mit biologischen, chemischen oder atomaren Waffen“. Schweres Geschütz, aber Madame Teissier geht auf Nummer Sicher und verspricht „bis zu 200.000 durch die Strahlen ausgelöste Krebserkrankungen“. Paco Rabanne hingegen gibt sich detailverliebt – „Stadtteile von Paris werden an Hiroshima erinnern“, kündigt der Modeschöpfer an. Stichtag für den Erstschlag ist der 11. August.
Davon wisse er nix, winselt Dunkelgod, die Bunte sei von seinem Schwager, Astrologen und Modeschöpfer lägen ihm so nahe wie Sheng Fui oder ... na ja, eben Astrologen. Nach drei Stunden ist endgültig klar: Die „dunkle Seite der Macht“ wird sich zwar sicherlich in Castrop-Rauxel finden, doch speziell Dunkelgod scheint eine ahnungslose Existenz zu sein, die man höchstens präventiv einsperren sollte.
Auf die abschließende Frage, ob er schon einmal Internet gehabt habe, antwortet Dunkelgod ausweichend. Sein Modem streike, und insgeheim sei ihm das „Medium“ zu kompliziert.
Aber jetzt zum Hund.
Daniel Hermsdorf/Benjamin Heßler/Montage: augenfall
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