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Bester Nachwuchs seit 1989

Dank zahlreicher Schutzprogramme haben Störche in Brandenburg wieder eine Zukunft. Brutwillige Tiere bekommen baufertige Nester. Allein in Linum leben 68 Tiere  ■   Von Dieter Grönling

Schon der Heimflug aus dem Winterquartier war gefährlich: Aus dem Tschad sind sie gekommen, aus dem Senegal und aus Südafrika. Oft war unterwegs das Futter knapp: Die Heuschreckenbekämpfung im Nildelta brachte den Weißstorch um seine wichtigste Insektennahrung. Viele haben es trotzdem geschafft; sie haben Tausende von Kilometern zurückgelegt, um im mitteleuropäischen Klima Nester zu bauen und Junge aufzuziehen.

4.063 Paare brüten allein in diesem Jahr im Bundesgebiet, viele davon im Berliner Umland. In der Hauptstadt selbst leben keine Störche. Der Golfclub „Gatow“ am Kladower Damm hat auf seinem Gelände zwar ein Storchennest gebaut, bisher blieb es aber leer. In Linum im Landkreis Ostprignitz-Ruppin sieht es dagegen anders aus: Hier bezogen 65 Störche Nester.

Grund genug für die Linumer, ein großes Storchenfest zu feiern. Über tausend Besucher kamen am vergangenen Wochenende, viele davon aus Berlin. Nach Auskunft des Naturschutzbundes (Nabu) hatten 13 Brutpaare in diesem Jahr 33 Jungtiere. Damit sei 1999 eines der besten Nachwuchsjahre seit der Wende gewesen, sagte eine Sprecherin. Landrat Christian Gilde übernahm die Patenschaft für den Jungstorch mit der nüchternen Ringnummer KA 3511. Er wurde auf den Namen „Listiger Schmied“ getauft. Die Mehrzahl der Störche blieb indes unbeeindruckt vom Rummel mit Karussell und Riesenrad.

Die Störche interessierten sich unterdessen eher für die Teiche und das Grünland der Umgebung. Im nahe gelegenen Rhinluch, einer typischen Niedermoorlandschaft mit einer Vielzahl an Seen und Feuchtwiesen, finden die Tiere ausreichend Nahrung. Für die Kommune Linum ist die hohe Storchenpopulation willkommener Anlass, die Gemeindekasse aufzubessern. Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein: Schlechte Straßen, ärmliche Häuser und Gassen – fast zehn Jahre nach der Wende ist alles noch ein bisschen oll. Den Störchen ist das recht: Durch dichte Bebauung, großflächige Industrieansiedlungen und vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft mit der damit verbundenen Trockenlegung von Feuchtgebieten wird der Lebensraum für Störche immer knapper.

So ist es nicht verwunderlich, dass ausgerechnet in Brandenburg viele Störche nisten: Im Oderbruch und an den vielen brandenburgischen Seen gibt es keine Störfaktoren. Die Schutzprogramme von Nabu und den Gemeinden sind inzwischen erfolgreich: Die Vogelschützer haben den Störchen in den vergangenen Jahren zahlreiche Nester hergerichtet, die die brutwilligen Tiere baufertig beziehen können. Ohne diese Maßnahmen wäre der Weißstorch immer noch vom Aussterben bedroht.

Der Aufwand lohnt: Störche suchen gern unmittelbare Nähe zu Menschen. Inzwischen sind die Jungstörche in Linum und anderswo beinahe schon groß genug, um sich selbst versorgen zu können. Wird auch Zeit, denn wenn's Winter wird, geht's ab nach Afrika. Linum ist über den Berliner Ring Richtung Hamburg, Autobahnabfahrt Fehrbellin, zu erreichen.

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