: Mit Kreuz und Priestergewand gegen Milosevic
■ Die orthodoxe Kirche Serbiens will bei der Demonstration in Belgrad erstmals Seite an Seite mit der Opposition marschieren. Vuk Draskovic warnt vor einem Bürgerkrieg
Belgrad (rtr) – In Serbien wollen erstmals die wichtigsten Oppositionsparteien und die einflussreiche orthodoxe Kirche des Landes gemeinsam gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic demonstrieren. Der Chef der Demokratischen Partei, Zoran Djindjic, kündigte am Montag an, die serbisch-orthodoxe Kirche werde sich an dem Protestmarsch der Opposition am 19. August in Belgrad beteiligen. Die Kirche wolle sich in die Politik aktiv einschalten.
Djindjic erklärte, der Protestmarsch in Belgrad werde ein erster gemeinsamer Schritt der serbischen Opposition sein. Die Kirche sei jetzt die einzige glaubwürdige Institution im Land. Sie habe versprochen, im politischen Prozess eine tragende Rolle zu übernehmen.
Die Synode der serbisch-orthodoxen Kirche hatte sich in der Vergangenheit aus der Politik eher herausgehalten. Im Juni hatte sie jedoch den Rücktritt Miloševic' gefordert. Der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Pavle, hatte erklärt, die politische Führung in Belgrad habe im Kosovo-Konflikt schwere Schuld auf sich geladen.
Am Montag waren Führer der Opposition und eine Gruppe von Wirschaftsexperten in Belgrad mit Pavle und weiteren geistlichen Würdenträgern zusammengekommen. Vertreter der Kirche waren zuvor mit dem früheren jugoslawischen Armeechef General Momcilo Perišic zusammengetroffen.
Aus Kreisen oppositioneller Studenten verlautete, Perisic und weitere Regierungsgegner hätten am Sonntag eine neue Bewegung für ein demokratisches Serbien gegründet. Dabei handele es sich um eine Sammelbewegung, der sich Oppositionsparteien anschließen könnten. Perisic war im November von Miloševic entlassen worden, nachdem der General den Konfrontationskurs Miloševic' mit der Nato scharf kritisiert hatte.
Die bedeutende Rolle der Kirche für die Zukunft des Landes betonte auch der Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung, Vuk Draškovic. Es gebe jetzt nur eine Institution, und dies sei die Kirche, der alle angehörten, erklärte der frühere jugoslawische Vize-Ministerpräsident.
Draškovic begrüßte die geplanten Proteste in Belgrad. Er warnte aber zugleich vor einem Bürgerkrieg. Jegliche Veränderungen müssten mit friedlichen Mitteln erreicht werden. Djindjic und Draškovic hatten bereits im Winter 1996/97 die mehrwöchigen Massenproteste gegen Miloševic angeführt. Zwar erreichte die Opposition die Annulierung der Kommunlawahlergebnisse. Ihr Bündnis Zajedno (Gemeinsam) war allerdings später an internen Streitigkeiten und persönlichen Eitelkeiten der beiden Führungspersönlichkeiten Draškovic und Djindjic zerbrochen.
Die Radikale Partei Serbiens unter Führung des Rechtsaußen Vojislav Šešelj warf der Opposition nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur Tanjug vor, die Kirche in eine nach der Verfassung unrechtmäßige Rolle drängen zu wollen. Bestimmte unbedeutende politische Gruppen wollten eine Spaltung der Kirche provozieren, hieß es. Die Kirche müsse aus der politischen Auseinandersetzung herausgehalten werden.
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