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Die Anderen

Der Weltmarkt als Ort des Vergessens: Schwerpunkt Ost-Asien auf dem Fantasy Filmfest  ■ Von Olaf Möller

Die Präsentation neuer Produktionen aus Ostasien - genauer: Japan und Hongkong - hat sich in den letzten Jahren verstärkt zu einer der Hauptattraktionen des Fantasy Filmfests entwickelt. Wen wundert's?: die Kinemathographien Ostasien sind im Augenblick gesamtfilmkulturell „angesagt“; die Entdeckung Hongkongs ist zudem der vielleicht einzige wesentlichen Beitrag der internationalen Fanszene zur ernsthaften Filmkultur.

Die Auswahl des Fantasy Filmfests macht allerdings wieder deutlich, dass man dem Ostasien-Hype durchaus kritisch gegenüber stehen muß: ernsthafte Kritik wie Fans eint allzu oft der Blick auf diese Filme als exotischer Ausdruck eines kulturellen Anderen. An der Oberfläche findet der westliche Zuschauer in der Kultur des Konsums seinen Platz, die Fetische, mit denen er spielen kann: seltsamer Sex und abstruse Gewalt, die im Kino stets mit einem unangenehmen Gejohle goutiert werden.

Die Fantasy-Filmfest-Macher sind nun meist zuerst gute Diener ihrer Zuschauer – findet sich ein innerer kultureller Zusammenhang, so ist das eher Zufall. Am interessantesten in dieser Hinsicht sind dieses Jahr ausnahmsweise die Berührungspunkte zwischen den Filmkulturen von Japan und Hongkong. Ein Höhepunkt ist sicher Lee Chi'ngais Sleepless Town, die erste chinesisch-japanische Koproduktion dieses großen hongkonger Filmemachers, basierend auf einem japanischen Roman, gedreht in Japanisch, Kantonesisch, taiwanesischem Mandarin und shanghaier Dialekt, mit Takeshi Kaneshiro, einem Hongkongchinesen halbjapanischer Herkunft in der Hauptrolle.

Sleepless Town spielt in Tokyo – tatsächlich ist diese artifizielle Stadtlandschaft aber meilenweit von jedem real existierenden Ort entfernt: Lees Sleepless Town ist der Weltmarkt als Ort des Vergessens, William-Gibson-Country sans Cyberpunk – also eigentlich das Meta-Hongkong des Kinos der 90er Jahre, wie man es auch in Donnie Yens äußerst eigener Low-Budget-And-Independent-AsCan-Be Killer-Ballade Ballistic Kiss entdecken kann. In beiden Filmen geht es um Erinnerung und Vergessen; beide haben extrem verdrehte Plots, die wie Meditationen über das Wesen des Erzählens und des Vertrauens wirken.

Yens Film wiederum hat einen interessanten Aspekt gemein mit Tsang Kancheungs naturalistischer Handover-Parabel The Intruder: Beide spielen in einem Hongkong, das man im Kino nur selten gesehen hat, das Hongkong der Außenbezirke, der Hügellandschaften und verstreuten Häuser. Was beiden Filmen auch eine eigentümliche Spannung zwischen extremer Enge und einer schlussendlich für die Figuren tödlichen Distanz zwischen den Dingen und Menschen verleiht: Mediale und stoffliche-materielle Realität kollidieren. Sleepless Town, Ballistic Kiss, und The Intruder bilden zusammen so was wie ein soziales, produktionstechnisches und ästhetisches Panorama der Hongkonger Befindlichkeit nach dem Handover. Abgerundet wird das Hongkonger Panorama durch Andrew Laus Martial-Arts-Superproduktion The Stormriders – die man sich auf dem Festival allerdings auf gar keinen Fall ansehen sollte, da er – entgegen der Ankündigung im Programmheft – nur in einer um vierzig Minuten (!) gekürzten internationalen Fassung läuft, die nur noch wie eine zu lange Promo-Rolle für die digitalen Spezialeffekte wirkt.

All diesem Unbill zum Trotz: The Stormriders zeigt, ähnlich Hitoshi Ozawas Kunoichi, the Lady Ninja (in Kürze: ein kabuki-anime-eskes Fantasy-Spektakel mit nackten Zauber-Ninjösen), was Kino sein kann, wenn man es anders betrachtet als wir im Westen das so tun. Beide Filme pflegen eine Ästhetik der Veräußerlichung und Stilisierung: Sas kinemathographische Bild wird nicht, wie bei uns, als Bewegungsbild zur (wissenschaftlich) exakten Aufzeichnung von physischen Abläufen betrachtet, sondern als Verlängerung der Traditionen des Theaters und der Malerei. Spezialeffekte werden dabei nicht kaschiert, sondern geradezu ausgestellt: Klatschrote Blutgeysire spritzen aus allen möglichen Öffnungen; die Digitaleffekte werden nicht dazu benutzt, um ein möglichst realistisches Bild zu schaffen, sondern ein möglichst irrreales: als ob da einer auf das Bild draufgekritzelt hätte.

Intruder, heute, 18.15 Uhr; Sleepless Town, heute, 22.45 Uhr; The Stormriders, Fr 13. 8., 20. 30 Uhr; Ballistic Kiss, Mo 18.15 Uhr, alle Cinemaxx, Infos Tel.: 35 55 45 55

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