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Frightened by Glockenspiel?

■ Die Vorschau: Am Freitag geben sich die mysteriösen „Godspeed You Black Emperor!“ im Wehrschloss die Ehre

„Ich schaute das Land an, siehe, es war wüst und öde, und den Himmel, und er war finster.“ Nein, das ist kein langweiliger Sonnenfinsterniswitz, sondern der Prophet Jeremia. Diese und andere Worte zieren das Booklet der just veröffentlichten EP „Slow Riot For New Zero Kanada“ von „Godspeed You Black Emperor!“ aus Montreal.

Einiges ist merkwürdig an dieser Band. Sehr merkwürdig, um genau zu sein. Es gibt kaum Photos. Man lehne die bildliche Repräsentation ab, heißt es. Alle schreiben ständig davon, wie schwer es sei, Kommentare zur Musik aus ihnen herauszukitzeln. Und sie haben es geschafft, mit bislang einer ganzen und einer halben Platte einen Streit darüber anzuzetteln, ob so die Popmusik des nächsten, nun ja, Jahrtausends auszusehen hat. Schließlich ist da noch der Name: „Godspeed You Black Emperor!“, kurz: GYBE! Was immer das bedeuten soll.

Auch wenn die kanadischen GYBE! und ihr US-Label Kranky eine Art Anti-Medienrummel veranstalten, gar nicht blöd eigentlich, reicht die Musik vollkommen aus. Die ist schlicht beeindruckend. Und klingt nicht so, als wären GYBE! daran interessiert, den gegenwärtigen Stand der Popkultur zu definieren.

„f£a£€“, der Erstling von 1998, besteht aus drei Stücken von bis zu dreißig Minuten Dauer. Musik braucht bei GYBE! ausreichend Zeit, sich zu entwickeln. Ohne Gesang schaukelt sich das neunköpfige Ensemble auf, beginnend im Dunkel der Unhörbarkeit, mit sparsamer Elektronik, dazugespielten O-Tönen und einem langgezogenen Streicherarrangement. Bis sich die nur mühsam zurückgehaltene Energie in orgiastischen Höhepunkten entlädt. Percussionstakkati brechen in den Dronesound der Gitarren ein, um sich schließlich passend zum Titel im Unendlichen zu verlieren. Ein Spiel mit gegenläufigen langen Melodiebögen und rhythmisierenden Patterns, die sich immer wieder übereinanderschieben, auch mal ineinander verhaken. Soweit das minimalistisch angehauchte Grundprinzip.

Mit den Eckpunkten Improvisation und Post-Rock oder Ambient lässt sich das kaum beschreiben. Jedenfalls dauert es seine Zeit. Und der Gedanke an Filmmusik stellt sich ein – beim Konzert gibt's trostlose Super-8-Aufnahmen dazu. „Do you think the end of the world is coming?“ heißt es in „Providence“. Eine ziemlich düstere Angelegenheit, die aber nicht den ausgetretenen Wegen einschlägiger Musik folgt.

Pünktlich zur zweiten Gastspielreise nach Europa kam die EP „Slow Riot for New Zero Kanada“ heraus. Die folgt dem gleichen Muster, wirkt aber geschlossener als „f£a£€“. GYBE! entwickeln die Musik aus dem Kollektiv: stets laut und nie zweimal das gleiche Konzert. Sie seien in erster Linie eine Live-Band, lautet eine der wenigen Selbstaussagen. Gute Gründe, hinzugehen und selbst zu hören. Der schönste Satz der bisherigen Berichterstattung: „Anyone frightened by Glockenspiels should turn away now.“ Tim Schomacker

Godspeed You Black Emperor! spielen am Freitag, 13. August, ab 21 Uhr im Wehrschloss, Hastedter Osterdeich 230. „Slow Riot for New Zero Kanada“ „f£a£€“ erschienen auf Kranky/Hausmusik. Das Vorprogramm bestreitet die Bremer Singer/Songwriterin C.E. Kuper

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