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Die Macht schweigt mit dir

George Lucas setzt mit „Episode I“ als Vorgeschichte seiner Star-Wars-Trilogie auf den Mythos, den das Fantasy-Märchen in den siebziger Jahren losgetreten hat. Manchmal erinnert der Mummenschanz an die Passionsspiele in Oberammergau  ■   Von Harald Fricke

Joseph Campbell interessierte sich für Heldensagen und den Flug der Wildgänse. 1949 veröffentlichte der Forscher eine Studie, nach der alle Mythologien vom Froschkönig-Märchen bis zum Wotankult die gleiche Geschichte erzählen: Superhelden sind abgewandelte Erscheinungen einer göttlichen Macht, mit der sie am Ende wieder verschmelzen. Dieser Glaube, so Campbell in seinem Buch „The Hero with a Thousand Faces“, hat sich tief in die Psyche eines jeden Erdenmenschen eingeprägt.

Nun gehört auch George Lucas zu jenen Erdenmenschen, für die Christentum, Buddhismus und Batman nur verschiedene Bezeichnungen für die gleiche Sache sind. Beflügelt von der ewigen Wiederkehr der Archetypen hat er nach der Lektüre Campbells 1977 „Star Wars“ gefilmt. Sein Held im weißen Wickelhemd hieß – Skywalker; Vorname: Luke; Beruf: Jedi-Ritter. Seine Mission bestand darin, die Prinzessin Leia zu beschützen, durchs Weltall zu reisen und die dunkle Seite der Macht zu vernichten. Eine ganze Film-Trilogie brauchte Lucas, bis sein Skywalker mit Hilfe einer Horde Teddys aus dem Ewok-Wald das Universum schließlich vor Zwietracht, Finsternis und Apokalypse gerettet hatte. Der neue Superheld trug ein leuchtendes Neonschwert bei sich und passte damit recht gut in die Glitzeratmosphäre aus Discokugeln und Saturday Night Fever, wo Clubs noch Galaxy hießen und man mit Rollschuhen lustig über die Tanzfläche torkeln konnte. Überhaupt sah der Skywalkerismus von „Star Wars“ sehr nach frisch gewaschener Jugend aus.

Heute ist alles anders: Tanzen heißt jetzt Rave. 40-jährige Kritiker sitzen in Science-Fiction-Filmen, die sich an der Vorstellungswelt von Zehnjährigen orientieren. George Lucas hat es mit entsprechendem Geschäftssinn zu einer schlossähnlichen Farm in Kalifornien gebracht, seine Firma „Industrial Light & Magic“ verkauft digitalen Budenzauber von Jurassic-Park-Sauriern bis zur animierten Marilyn Monroe für Coca-Cola-Werbespots, und das von ihm gegründete College unterrichtet „emotional intelligence“, weil Denken für Lucas Fühlen heißt. Und wenn in Littletown irgendwelche Trenchcoat-Gangs Schulklassen zusammenschießen, wird er in der „Tonight Show“ interviewt, ob Filme bei Kindern Gewalt auslösen. Dann ist er mindestens so betroffen über die Macht des Bösen wie zu Zeiten von „Freiheit“, einem seiner ersten Kurzfilme von 1966, in dem ein junger Student aus der DDR bei der Flucht über die Berliner Mauer von Grenzern erschossen wird.

Ansonsten ist auch Lucas im postideologischen Zeitalter angekommen: Für „Star Wars: Episode I – die dunkle Bedrohung“ spielt das Böse nurmehr eine untergeordnete Rolle. Der schwarz verhangene Imperator Sith-Lord Darth Sidious wird bloß kurz als wackliges Videobild eingeblendet, um seinen Anhängern – eine Delegation grau verknöcherter Hohepriester – mitzuteilen, wer, wann und wo angegriffen wird. Danach machen ein paar tausend Droiden-Roboter, die wie zusammengeklebte Papprollen aussehen, gegen die Galaktische Republik mobil, die selbst im Angesicht der „dunklen Bedrohung“ wie Clinton und die Nafta über das Besteuerungssystem von Handelsrouten streitet. Prompt kommt es zur Eroberung eines abgelegenen Planeten namens Naboo, wo die Menschen gepflegte Renaissance-Roben tragen und eine gerade mal 14-jährige Königin Amidala regiert, die von Natalie Portman als christbaumgeschmückter Schmollmund gespielt wird. Die Befreiung der Kaufmannsenklave ist eine Sache für Jedi-Ritter, statt Bärchen helfen diesmal überdimensionale Molche, und mittendrin gibt es noch eine Notlandung auf dem Wüstenplaneten Tatooine, wo die Bewohner mit „detailreicher Sklavenkleidung“ ausgestattet sind, wie die PR-Broschüre zum Film textet.

Vor allem aber ist „Episode I“ eine meist schweigsame Angelegenheit. Liam Neeson muss als galanter Jedi Qui-Gon Jinn bei jeder Krise geistesabwesend in die Kamera stieren. Manchmal sagt er aus dieser inneren Leere heraus auch Sätze wie: „Ich spüre eine Schwächung der Macht“, dann fingert er nervös an seiner Strähnchenfrisur oder am Schaft seines Laserschwerts herum. Am Ende liegt er tot in den Armen von Ewan McGregor, der darüber auch nicht wirklich traurig ist. Bei Interviews hat sich McGregor bereits einige Male über den Fantasy-Kinderkram mokiert und darüber geklagt, dass er auf keinen Fall seine Filmkarriere als ewiger Jedi beenden möchte.

Lucas muss das Gezeter seines Stars ziemlich geärgert haben. Schließlich ist die Zukunft voll durchgeplant: McGregor soll als Obi-Wan Kenobi in der für 2002 angesetzten „Episode II“ den von Neeson eben erst frisch in der Wüstenstadt Tatooine aufgegabelten Knaben Anakin Skywalker zum Jedi-Ritter ausbilden, damit dieser in „Episode III“, also 2005, zum schurkischen Darth Vader mutieren kann, dessen Sohn Luke wiederum in der mittlerweile zur Episode IV umgetauften Ursprungsgeschichte von „Star Wars“ gegen das Imperium aufbegehrt. Dann geben sich Seventies und Millenium die Hand. Echte Fans dürften mit der schlaufenförmigen Nonsense-Handlung keine Probleme haben – Hauptsache, die Macht ist mit ihnen.

Und die Effekte. Episode I hat von allem etwas mehr anzubieten, als der State of Fantasy des Jahres 1999 bisher an Tricktechnik aufbringen konnte: Die Unterwassermonster sind größer als Godzilla, die Raumflotten kreuzen schneller als bei „Star Trek“, die Zukunftsstädte sind morpho-futuristischer als in „Matrix“. Nicht einfach Disco, sondern Rave. Tatsächlich schafft es Lucas, bei aller Beliebigkeit der Mythenbildung rund um Wegzölle, Schlabberpuppen und animiertes Kampftheater, seine „Star Wars“-Vision als unentwegte Special-Effect-Parade zu inszenieren, als wäre Filmemachen eine Frage der größeren Playstation.

Mehr passiert allerdings nicht: Während sich in früheren Episoden Figuren wie Harrison „Han Solo“ Ford noch ironisch durch den intergalaktischen Alltag schlugen, wird die Space-Opera jetzt weihevoll zelebriert wie die Passionsspiele in Oberammergau. Irgendwann kippt das Spektakel in echten religiösen Mummenschanz ab und Anakins Mutter beichtet mit gläsernem Blick die unbefleckte Empfängnis ihres Sohnes. Danach starrt sie gemeinsam mit Leeson ins Leere. Wenig später jubeln die animierten Massen indessen dem jungen Erlöser beim Seifenkistenrennen zu. Es sind bunt bemalte Wattestäbchen. So stellt sich Lucas offenbar die ideale Gesellschaft der Zukunft vor – als ein Special Effect unter vielen.

Star Wars: Episode I – die tödliche Bedrohung. Regie: George Lucas; mit Liam Neeson, Ewan McGregor, Natalie Portman u.a.; USA 1999, 132 Min.

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