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Happiness ist ein warmer Möbelmarkt

■ Eldorado des Schicksals: „Glück & Casino“ im Kunst- und Medienzentrum Adlershof

Wenn man Glück hat, fährt die S-Bahn vom Alexanderplatz bis nach Adlershof durch. Wenn man Glück hat, lassen einen die Skinheads an der Würstchenbude auf dem Weg zum Kunst- und Medienzentrum in Ruhe. Dann kommt man auch von Adlershof unbeschadet wieder zurück – nach Mitte oder anderswo.

Den Kuratoren von „Glück & Casino“ dürften die ortsspezifischen Unannehmlichkeiten zur Ausstellung bekannt sein. Doch statt der negativen Seitenaspekte sieht man in Adlershof ein harmonisches Miteinander von Künstlern aus Malmö, Straßburg, Santiago de Chile oder Pirna. Dabei ist es tatsächlich ein ungeheures Glück, wenn man eine international besetzte Ausstellung am Rande der Stadt – zwischen Ateliers und Bezirksbibliothek – zu Wege bringt. Der Titel ist durchaus konkret gemeint: Mit Casino werden im Süddeutschen „nicht nur die 'Gesellschaftsräume‘, sondern auch die darin versammelte Gesellschaft“ bezeichnet, heißt es in der Einführung von Ute Tischler und Peter Lang.

Aber was hat es mit dem Glück auf sich? Pietro Sanguinetti und Florian Zeyfang zeigen in Adlershof eine komplexe Doppelprojektion zweier Videobänder. Während bei Sanguinetti der Satz „to the next level“ in grau animierten Lettern auf dem Bildschirm kreist, hat Zeyfang eine Short Story zusammengeschnitten. Innenaufnahmen aus einem kronleuchterbehangenen Casino wechseln sich mit Stills von Dagobert Duck beim Geldbad und ruhigen Kamerafahrten über einen etwas derangierten Frachter ab. Zwischendurch läuft kurz die Zeile „out of the money“ über den Bildschirm, und man rutscht unwillkürlich in eine Gedankenschlaufe über die Vergänglichkeit von Glück. Bei aller technischen Präzision bleibt die visuelle Verbindung zum Thema jedoch vage: Wer darin Metaphern zur Globalisierung sehen will, ist herzlich willkommen.

Überhaupt scheinen sich die Arbeiten der immerhin 17 beteiligten Künstler nur sehr marginal dafür zu interessieren, wie Zufall, private Wünsche und Glück zusammenhängen könnten. Von Lisa Junghanß kann man sich auf hippen PVC-Sesseln den selbst verfassten Groschenroman „Susan hatte Glück doc.“ durchlesen. Dabei schmiegt sich Junghanß in ihrem Girlie-Gestus arg an literarische Vorbilder aus dem Pop- und Partykontext an, wo shoppen, E-Mail und flexibler Alltag auch nicht mehr ganz so taufrisch wirken. Der Norweger Lars Ramberg beschreibt, wie sein Name per Werbekonzept vor zwei Jahren in den Künstlerhitlisten seiner Heimat lanciert wurde; und Thomas Meyer aus Halle dokumentiert mit Architekturzeichnungen ein geplantes Möbelzentrum, das in Halle die ehemaligen Schießstände verdrängt hat.

Christina Casaubon kritisiert unvermittelt die Aktivitäten der DaimlerChrysler Aerospace, Lutz C. Pramann hat mit seiner Serie „Lucky Man I–III“ Fotos aus dem Amerika-Urlaub in Malerei übertragen, und von Berd Wrede stammt ein Dancefloor-kompatibler Remix der klappernden Münzen am Anfang von Pink Floyds „Money“. Wer nach einem halben Dutzend Räume mit Videos, Fotos und Objekten immer noch nach einem gemeinsamen Nenner sucht, findet ihn vielleicht auf dem Flur in den Arbeiten von Olav Westphalen: Seine Comic-artigen Zeichnungen bringen das Flaschendrehspiel mit einem Metropolenkarussell zusammen. Auf einem anderen Bild wird das „Glücksrad“-Motiv auf den Kunstbetrieb übertragen. Mit etwas Glück kann man bei Westphalen Rock Star, Film Star, Model oder Loser werden. Vom Künstler ist das Ergebnis auf der Drehscheibe bei Westphalen allerdings weit entfernt. Das kann in diesem Eldorado aus Schicksal und Willkür kein Zufall sein. Harald Fricke

Bis 14. 9., Mo., Do., Fr. 11 bis 19, Di. 11 bis 17, So. 14 bis 19 Uhr; Kunst- und Medienzentrum Adlershof, Dörpfeldstraße 56

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